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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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WAS KRIEGT ER DANN NOCH ALLES ALS NÄCHSTER AB?« fragte
Owen Meany.
    Keine fünf Jahre später, als Robert Kennedy bei einem Attentat [613]  ums Leben kam, sagte Hester: »Das Fernsehen ist
optimal für Katastrophen.« Das war wahrscheinlich nur eine saloppere Version
der Bemerkung meiner Großmutter über den Einfluß des Fernsehens auf alte
Menschen: daß es ihren Tod beschleunige. Wenn fernsehen den Tod nicht
beschleunigt, dann läßt es ihn zumindest sehr einladend erscheinen; denn es
stellt ihn auf eine so schamlose Weise als etwas Sentimentales, Romantisches
dar, daß die Lebenden glauben, sie hätten etwas verpaßt – nur dadurch, daß sie
am Leben bleiben.
    In jenem November 1963 sahen Großmutter, Owen Meany und ich in
unserem Haus in der Front Street stundenlang, wie der Präsident getötet wurde; tagelang sahen wir, wie er wieder und wieder getötet
wurde.
    »LANGSAM KAPIER ICH’S«, sagte Owen
Meany. »WENN MAN VON EINEM VERRÜCKTEN UMGEBRACHT WIRD, DANN
IST MAN SOFORT EIN HELD – SELBST WENN MAN NUR IN EINER WAGENKOLONNE MITFÄHRT.«
    »Ich wünschte, mich würde ein Wahnsinniger
umbringen«, meinte meine Großmutter.
    »MRS. WHEELWRIGHT! WAS WOLLEN SIE DAMIT SAGEN?« fragte
Owen.
    »Ich meine, warum kann so ein Verrückter nicht einen alten Menschen
umbringen – jemanden wie mich?« überlegte Großmutter. »Lieber ließe ich mich
von einem Wahnsinnigen hinmeucheln als mein Haus zu verlassen – und genau das werde ich müssen«, meinte sie. »Vielleicht ist es Dan,
vielleicht Martha – vielleicht bist es sogar du «,
sagte sie vorwurfsvoll zu mir, »einer von euch, oder ihr alle zusammen –,
jedenfalls wird man mich zwingen, mein Haus zu verlassen. Ihr werdet mich in
ein Haus mit einem Haufen alter Leute stecken, die verrückt sind«,
sagte Großmutter. »Und ich würde statt dessen lieber von einem Wahnsinnigen
hingemeuchelt werden – das wollte ich damit sagen. Eines Tages wird Ethel nicht
mehr damit [614]  fertigwerden – eines Tages werde
ich hundert Ethels brauchen, die meinen Dreck wegmachen!«
sagte Großmutter. »Eines Tages wirst nicht mal mehr du mit mir fernsehen wollen«, sagte sie zu Owen. »Eines Tages«, sagte sie zu mir,
»wirst du mich besuchen kommen, und ich werde nicht mal wissen, wer du bist.
Warum werden diese Verrückten nicht darauf trainiert, alte Menschen umzubringen und die jungen leben zu lassen? Was für eine Verschwendung «, rief sie aus. Viele Menschen sagten dies,
als sie vom Tod Kennedys hörten – wenn sie es auch natürlich etwas anders
meinten. »Ich werde eine alte Närrin werden, die das Wasser nicht mehr halten
kann«, sagte meine Großmutter; sie sah Owen Meany direkt in die Augen. »Würdest du dich nicht lieber von einem Wahnsinnigen umbringen
lassen?« fragte sie ihn.
    »WENN ES IRGEND ETWAS NÜTZEN WÜRDE – DANN SCHON«, gab
Owen Meany zurück.
    »Ich glaube, wir haben zuviel ferngesehen«, warf ich ein.
    »Davor gibt es keine Rettung«, erwiderte meine Großmutter.
    Doch nach der Ermordung Kennedys schien mir, auch für Owen Meany
gebe es »keine Rettung«; er fiel in einen Gemütszustand, über den er nicht mit
mir reden wollte – sein Mitteilungsbedürfnis ließ sichtlich nach. Oft sah ich
seinen tomatenroten Kleintransporter hinter dem Pfarrbüro der Hurd’s Church
stehen; Owen hatte noch immer Kontakt zu Pastor Lewis Merrill, dessen stilles, langes
Beten für Owen ihm viel Respekt unter den Lehrern und Schülern der Gravesend
Academy eingebracht hatte. Pastor Merrill war schon immer »beliebt« gewesen,
doch vor seinem stillen Gebet wurde ihm wenig Respekt entgegengebracht. Ich bin
sicher, daß auch Owen ihm für diese Geste dankbar war – selbst wenn der Pastor
nicht von selbst darauf gekommen war und sich dazu durchringen mußte. Doch nach
Kennedys Tod schien Owen Rev. Mr.   Merrill häufiger zu besuchen; und Owen
erzählte mir nie, worüber sie miteinander redeten. Vielleicht über Marilyn
Monroe und die Kennedys. Vermutlich auch über »den Traum«; [615]  doch mir war es noch nicht gelungen, Owen Meany
diesen Traum zu entlocken.
    »Was hör ich da über einen Traum, den du
immer hast?« fragte ich ihn einmal.
    »ICH WEISS NICHT, WAS DU DA GEHÖRT HAST«, gab
er zurück.
    Und kurz vor Silvester fragte ich Hester, ob sie etwas von einem Traum wisse. Hester hatte sich ein paar Drinks genehmigt; sie
war bereits auf dem besten Wege zum Kotzen, doch sie war stets geistesgegenwärtig.
Mißtrauisch starrte sie mich an.
    »Was weißt du

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