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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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diese
Neuigkeit; aber eines der mittleren Kinder – ein nobelpreisverdächtiger Schüler – reagierte recht unhöflich.
    »Na ja«, meinte er, »aber die Schwarzen Löcher sind alle ungefähr
zwei Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.«
    Und ich dachte: Dann sind sie ungefähr so weit von der Erde entfernt
wie Owen Meany; und ungefähr so weit, wie ich gerne von ihr entfernt wäre.
    Und wo ist Kennedy heute? Wie weit ist er von uns entfernt?
    Am 22.   November 1963 saßen Owen und ich in meinem Zimmer in unserem
Haus in der Front Street und lernten für eine Geologieprüfung. Ich war sauer
auf Owen, weil er mich dazu überredet hatte, das Fach Geologie zu belegen,
dessen einzelne Disziplinen an der University of New Hampshire unter dem von
Hippies inspirierten Namen Erdwissenschaften verborgen blieben. Owen hatte mich
zu dem Glauben verleitet, dieser Kurs wäre eine einfache Möglichkeit, einen
Teil der obligatorischen Kurse in naturwissenschaftlichen Fächern abzudecken – er wisse alles über Steine, hatte er mir versichert, und im restlichen Verlauf
des [611]  Kurses würden Fossilien behandelt
werden. »IST DOCH NETT, WENN MAN ALLES ÜBER DINOSAURIER
WEISS!« hatte er gesagt; damit hat er mich rumgekriegt. Wir
verbrachten weniger als eine Woche mit Dinosauriern – und viel weniger Zeit mit
Fossilien als damit, die schrecklichen Namen der Erdzeitalter zu lernen. Und es
stellte sich heraus, daß Owen kristallinen Schiefer nicht von Eruptivgestein
unterscheiden konnte – es sei denn, bei letzterem handelte es sich um Granit.
    Am 22.   November 1963 hatte ich gerade das Paläozän mit dem
Pleistozän verwechselt und außerdem den Unterschied zwischen Epoche und Ära
nicht verstanden.
    »Das Känozoikum ist eine Ära, oder?«
fragte ich ihn.
    »WEN INTERESSIERT DAS?« fragte Owen
Meany zurück. »DEN TEIL KANNST DU VERGESSEN. UND SO WEITE BEGRIFFE
WIE TERTIÄR ODER QUARTÄR KANNST DU AUCH VERGESSEN – DAS IST VIEL ZU
WEITGEFASST. WAS DU WISSEN MUSST, IST VIEL DETAILLIERTER, DU MUSST WISSEN, WAS
EINE EPOCHE CHARAKTERISIERT – WELCHE
EPOCHE WIRD ZUM BEISPIEL DURCH DEN TRIUMPH VON VÖGELN UND PLACENTATIEREN
CHARAKTERISIERT?«
    »Mein Gott, wie konnte ich mir so was nur von dir aufschwätzen
lassen?«
    »HÖR ZU«, meinte Owen Meany. »MIT EIN PAAR TRICKS KANN MAN SICH ALLES MERKEN, UND PLEISTOZÄN KANN MAN SICH
DADURCH MERKEN, DASS DIESE EPOCHE DURCH DAS ERSTMALIGE ERSCHEINEN DES MENSCHEN
UND WEITVERBREITETES GLETSCHEREIS GEKENNZEICHNET IST – MERK DIR DAS EIS , DAS IST JA IN
PL EIS TOZÄN DRIN.«
    »MEIN GOTT!« sagte ich.
    »ICH VERSUCH NUR, DIR EIN PAAR GEDÄCHTNISSTÜTZEN ZU
GEBEN«, meinte Owen. »WENN DU DEN
BEGINN DER BLÜTEZEIT VON VÖGELN UND PLACENTATIEREN MIT DEM ERSCHEINEN DES
MENSCHEN VERWECHSELST, DANN HAST DU DICH UM ETWA [612]  SECHZIG
    MILLIONEN JAHRE VERTAN – DAS IST EIN GEWALTIGER FEHLGRIFF!«
    »Mein gewaltigster Fehlgriff war, Geologie zu belegen!« erwiderte
ich ihm. Plötzlich stand Ethel in meinem Zimmer: wir hatten nicht gehört, wie
sie geklopft und die Tür geöffnet hatte – ich kann mich nicht daran erinnern,
daß Ethel mein Zimmer vorher (oder nachher) jemals betreten hat.
    »Deine Großmutter möchte, daß ihr ins Fernsehzimmer kommt«, sagte
sie.
    »STIMMT WAS MIT DEM APPARAT NICHT?« fragte
Owen.
    »Mit dem Präsidenten stimmt was nicht«, gab Ethel zurück.
    Als wir herausfanden, was mit dem Präsidenten nicht stimmte – als
wir sahen, wie auf ihn geschossen wurde, und später, als wir erfuhren, daß er
tot war – meinte Owen Meany: » WENN WIR IM PLEISTOZÄN ZUM ERSTEN
MAL AUFGETAUCHT SIND, DANN SOLLTEN WIR JETZT WIEDER VERSCHWINDEN – ICH FINDE,
EINE MILLION JAHRE MENSCH IST GENUG.«
    Was wir beim Tod von Kennedy sahen, war der Triumph des Fernsehens;
was wir beim Attentat und bei seiner Beerdigung sahen, war der Beginn der
Herrschaft des Fernsehens über unsere Kultur – denn das Fernsehen entfaltet
seine sensationslüsterne Größe am besten dann, wenn es den unerwarteten Tod der
Auserwählten und Berühmten zeigt. Als Zeuge davon, wie Helden – und alle heilig
erscheinenden Unschuldigen – mitten aus ihrem jungen Leben gerissen werden,
erreicht das Fernsehen seine bedauernswerte Größe. Das Blut auf Mrs.   Kennedys
Kleidern, ihr schmerzverzerrtes Gesicht unter dem Schleier; die vaterlosen
Kinder; Lyndon B. Johnson, wie er den Amtseid leistet; Kennedys Bruder Bobby – der
geborene Nachfolger.
    »WENN BOBBY MARILYN MONROE ALS NÄCHSTER ABKRIEGEN
SOLLTE,

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