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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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besonders willkommener Gast zu sein – und
dieses Gefühl gaben sie auch mir –, und zweifellos war meine Mutter froh, eine
kleine Weile der gebieterischen Weisheit meiner Großmutter zu entkommen.
    Großmutter kam immer an Weihnachten ein paar Tage nach Sawyer Depot,
und auch für ein Wochenende im Sommer hielt sie dort Hof, doch der Norden war
nicht nach ihrem Geschmack. Und obwohl Großmutter wirklich tolerant war, wenn
ich als einziger das Erwachsenenleben in der Front Street öfters
durcheinanderbrachte – und auch relativ tolerant gegenüber den Spielen, die ich
in dem alten Haus mit Owen Meany veranstaltete, – so war ihre Geduld doch recht
beschränkt, wenn sämtliche Enkel gleichzeitig
herumtobten, egal in welchem Haus. An Thanksgiving kamen die Eastmans zu uns,
und diesen Einbruch in ihr gewohntes Leben bezeichnete Großmutter noch
monatelang später als »die Sintflut«.
    Meine Vettern und meine Kusine waren aktive, kämpferische Athleten – meine Großmutter nannte sie »die Krieger« –, und [81]  wenn
ich mit ihnen zusammen war, führte ich ein ganz anderes Leben. Ich war hin- und
hergerissen; einerseits konnte ich meine Erregung kaum bändigen, wenn der
Zeitpunkt, an dem wir uns wiedersahen, näherrückte, doch schon nach wenigen
Tagen wartete ich sehnlichst darauf, wieder von ihnen wegzukommen – ich
vermißte die Ruhe und den Frieden meiner eigenen Spiele, und ich vermißte Owen
Meany; selbst Großmutters ständige, gleichbleibende Kritisiererei vermißte ich.
    Noah, Simon und Hester (in der Reihenfolge ihres Alters) waren alle
drei älter als ich: Hester nur um knapp ein Jahr, trotzdem würde sie immer
größer als ich sein; Simon war zwei Jahre älter als ich und Noah drei. Das ist
natürlich kein gewaltiger Altersunterschied, doch in all den Jahren, ehe ich in
die Pubertät kam, war er beträchtlich – in der Zeit, als sie alle drei besser waren als ich, bei allem.
    Da sie im Norden aufwuchsen, konnten sie natürlich glänzend
skilaufen. Ich war, höflich ausgedrückt, ein vorsichtiger Skiläufer und übte
die weiten Bögen nach dem Vorbild meiner Mutter, mit graziösem und behutsamem
Stockeinsatz – sie konnte leidlich skilaufen, etwa auf fortgeschrittenem
Anfängerniveau, und fuhr sehr kontrolliert; ihrer Meinung nach bestand der Reiz
beim Skilaufen weder im Tempo noch darin, sich mit dem Berg zu messen. Noah,
Simon und Hester jagten sich gegenseitig die Hänge hinunter, schnitten einander
den Weg ab, rempelten sich um – und blieben dabei nur selten auf der markierten
Piste. Sie führten mich in den tiefen Pulverschnee im Wald, mit dem ich nicht
zurechtkam, und bemüht, mit ihnen Schritt zu halten, gab ich meine
konservativen, kontrollierten Schwünge auf, die mir meine Mutter beigebracht
hatte, und fand mich am Ende meist vor einem Baum oder einem Schneewall wieder,
verlor meine Skibrille in eisigen Bächen.
    Sie waren ehrlich bemüht, mir beizubringen, wie man die Skier
parallel hält – und wie man mit den Skiern hüpft – doch einer, der nur in den Schulferien skiläuft, wird nie mit jemandem [82]  gleichziehen, der in den Bergen großgeworden ist.
Sie legten so hohe Furchtlosigkeitsmaßstäbe an, daß ich schließlich keine
Freude mehr daran haben konnte, mit meiner Mutter skizulaufen. Ich fühlte mich
schuldig, weil ich sie alleine ließ; doch meine Mutter blieb selten lange
allein. Am Abend hatte sie meist einen Gefährten – einen Möchtegern-Skilehrer,
vielleicht sogar einen richtigen – an ihrer Seite, der mit ihr übte.
    Meine Erinnerung ans Skilaufen mit Noah, Simon und Hester besteht
aus vielen, demütigenden, schmerzhaften Stürzen, nach denen die drei immer
meine Skistöcke, Handschuhe und die Mütze suchten, die ich jedesmal
unweigerlich verlor.
    »Alles in Ordnung?« fragte mich dann immer Noah, der Älteste. »Das
sah ganz schön hart aus.«
    »Das sah ganz toll aus!« berichtigte Simon
dann; Simon liebte Stürze; nur wegen ihnen lief er Ski.
    »Wenn du so weitermachst, wirst du noch impotent«, meinte Hester,
für die in unserer gemeinsamen Kindheit jedes Erlebnis entweder sexuell
stimulierend oder sexuell schädlich war.
    Im Sommer gingen wir an den Loveless Lake, Wasserski laufen. Die
Eastmans hatten ein Bootshaus am See, dessen Obergeschoß so ausgebaut war, daß
es einem englischen Pub ähnelte – Onkel Alfred bewunderte alles Englische.
Meine Mutter und Tante Martha gingen segeln, doch Onkel Alfred fuhr mit dem
Motorboot, wild und schnell, und immer

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