P. S. Ich töte dich
gelb.
»Was hast du da, Harry?«
Bosch schaute auf. Es war Braxton.
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Hast du irgendwo einen Handschuh gesehen? Dem Typen fehlt ein Handschuh.«
»Hier drüben.«
Das war Edgar. Er befand sich hinter einer weiteren Vitrine am anderen Ende des Ladenlokals. Bosch erhob sich und begab sich
zu ihm. Edgar beugte sich vor und deutete unter die Vitrine.
»Hier drunter liegt ein schwarzer Lederhandschuh. Ich weiß nicht, ob er zu dem anderen passt, aber immerhin ist es ein Handschuh.«
Bosch ließ sich auf alle viere nieder, um unter die Vitrine schauen zu können. Er schob eine Hand darunter und zog den Handschuh hervor.
»Scheint zu passen«, sagte er.
»Tut er nicht passen, kann man ihn nicht fassen«, sagte Edgar.
Bosch sah ihn an.
»Johnnie Cochran«, meinte Edgar, »du weißt schon, der O.-J.-Simpson-Handschuh.«
»Richtig.«
Bosch erhob sich, eines seiner Knie knackte. Er betrachtete den Inhalt der Vitrine. In ihr befanden sich Wertgegenstände, allerdings kein Schmuck, auf zwei Ebenen angeordnet und von innen angeleuchtet: Münzen und kleine Jadeskulpturen, goldene und silberne Kästchen, Zigarettenetuis und gravierte, mit Edelsteinen verzierte Dinge. Alles wirkte sehr wertvoll. Die meisten Münzen, fiel Bosch auf, stammten aus Russland.
Bosch trat von der Vitrine zurück und schaute sich in dem Raum um. Abgesehen von den beiden gläsernen Schaukästen enthielt er überwiegend Plunder, die Habseligkeiten von Leuten, die in eine finanzielle Notlage geraten und bereit gewesen waren, sich für Cash von fast allem zu trennen.
»Brax«, sagte Bosch. »Wie ist er reingekommen?«
Braxton deutete nach hinten und ging voraus. Bosch und Edgar folgten ihm. Sie gelangten in ein Hinterzimmer, das als Büro und Lagerraum diente. Kies und Schutt lagen auf dem Boden. Sie schauten alle nach oben. In die Decke war ein halbmetergroßes Loch gestemmt, durch das der blaue Himmel zu sehen war.
»Ein Flachdach, das sich recht einfach aufstemmen lässt«, meinte Braxton. »Eine halbe Stunde, schätze ich.«
»Das macht aber einen ziemlichen Lärm«, meinte Edgar. »Weiß jemand, wann der Sexshop schließt?«
»Ich erinnere mich, dass ich das bei einem der anderen Einbrüche überprüft habe«, sagte Braxton. »Sie schließen um vier und machen schon um acht Uhr wieder auf. Also ein Zeitfenster von vier Stunden.«
»Wurde jedes Mal durchs Dach eingebrochen?«, fragte Bosch.
Braxton schüttelte den Kopf.
»Die ersten beiden Male brach er durch die Hintertür ein und erst dann durch das Dach. Das hier ist der zweite Einbruch durchs Dach.«
»Du glaubst also, dass es bei den anderen drei Malen auch Monty war?«
»Denke schon. So sind diese Jungs. Brechen immer wieder in dieselben Läden ein. Nach dem zweiten Einbruch durch die Hintertür ergriff Mr. Servan entsprechende Vorsichtsmaßnahmen. Er verstärkte die Tür mit Stahlplatten. Also kletterte unser Einbrecher aufs Dach.«
»Warum ausgerechnet dieser Laden so oft?«, fragte Edgar.
»Hierher kommen sehr viele Einwanderer. Russen, Koreaner, von überall. Sie verpfänden die Dinge, die sie aus ihrer Heimat mitgebracht haben. Jade. Gold. Münzen. Kleine, teure Gegenstände. Einbrecher lieben das Zeug! In der Schautheke, unter der du den Handschuh gefunden hast, liegt das alles. Deswegen ist unser Mann eingebrochen. Ich weiß nur nicht, wie es ihn hinter die Schmucktheke verschlagen hat.«
»Was hat er bei den letzten drei Einbrüchen erbeutet?«, fragte Bosch.
»Wahrscheinlich durchschnittlich vierzig- bis fünfzigtausend«, sagte Braxton. »Das ist viel für ein Leihhaus. Darum ist der Typ immer wiedergekommen.«
Ein Streifenbeamter betrat das Hinterzimmer und teilte mit, die Leute von der Gerichtsmedizin seien eingetroffen.
Die drei Detectives verweilten noch einen Augenblick, um ihre ersten Eindrücke, Boschs Theorie, was dem Einbrecher zugestoßen sein könnte, und die weitere Strategie zu erörtern. Sie beschlossen, dass Edgar am Tatort bleiben sollte, um die Gerichtsmediziner und Forensiker zu unterstützen. Bosch und Braxton wollten sich um Servan kümmern und die Angehörigen verständigen.
Nachdem einer der Assistenten des Gerichtsmediziners die Fingerabdrücke des Einbrechers genommen hatte, fuhren Bosch und Braxton mit Nikolai Servan zur Hollywood Division.
Bosch scannte die Fingerabdrücke ein und mailte sie an das Fingerabdrucklabor im Parker Center. Dann führte er eine offizielle Vernehmung mit Servan durch und
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