P S: Verzeih mir!: Roman (German Edition)
er keine Absenderadresse angefügt, weil er nicht wollte, dass Helena wusste, wo er war?
Aber warum hätte er dann erwähnen sollen, dass sie ihm eine Antwort auf den vorigen Brief schicken sollte, den er ihr gesandt hatte? »… ich glaube, dass ich nicht wirklich eine Antwort erwartet habe …«
Sie durchwühlte den Stapel Briefe, in der Hoffnung, den anderen Brief zu finden, auf den er sich bezog, der Brief, der angeblich »doch ein paar Dinge erklären« konnte. Sie waren alle durcheinandergeraten, als sie sie am ersten Tag ausgekippt hatte, und manche der Daten waren schwer zu entziffern, so dass man unmöglich erkennen konnte, in welcher Reihenfolge sie gekommen waren.
Vielleicht sollte sie einfach noch einen öffnen? Sie biss sich auf die Lippe und hatte Schuldgefühle, weil sie die Korrespondenz von jemand anderem las und vor allem etwas so Persönliches.
Lass es bleiben, du neugierige Kuh!, ermahnte sie sich, legte die Kiste mit den Briefen beiseite und schaltete den Fernseher ein. Es war spät, und sie war müde, und sie sollte es eigentlich besser wissen, als sich von so etwas beunruhigen zu lassen. Der Himmel wusste, dass ihre Neugierde sie in der Vergangenheit schon genug in Schwierigkeiten gebracht hatte.
Sie sollte sich wirklich bemühen, mehr rauszukommen, vielleicht in einen Club eintreten oder Ähnliches – alles, was ihr half, sich zu beschäftigen und damit aufzuhören, ihre Nase in die Sachen anderer Leute zu stecken. Ja, das würde sie tun, beschloss sie, während sie durch die Kanäle zappte und versuchte, etwas Interessantes zu finden, das sie anschauen könnte.
Doch wie sehr sie sich auch bemühte, sich aufs Fernsehen zu konzentrieren und die Briefe zu vergessen, Leonie konnte einfach nicht anders, als an Helena und Nathan zu denken und daran, was in ihrer Beziehung wohl schiefgegangen war.
»Meine Liebste,
wie geht es Dir? Ich vermisse Dich immer noch wahnsinnig, aber mehr als alles andere hoffe ich, dass Du glücklich bist. Ich kann Dir immer noch nicht genug beteuern, wie leid es mir tut, und ich hoffe, dass Du eines Tages verstehen wirst und dass Du vielleicht irgendwann in Zukunft, wenn das nicht zu viel verlangt ist, mir verzeihen kannst.
Ich muss immer an Dich denken und daran, wie sehr ich es vermisse, mit Dir zusammen zu sein. Ich vermisse Dein Lächeln, Dein Lachen, den Duft Deiner Haut, und es macht mich verrückt, Dich nicht halten und Dir sagen zu können, wie sehr ich Dich liebe.
Während ich dies hier schreibe, kann ich mir vorstellen, wie Du auf Deinem Lieblingsplatz auf dem Fenstersims sitzt und hinaus zur Brücke schaust. Vielleicht legt sich der Morgennebel langsam über die Hochhäuser und schwebt in die Bucht, wie Du es so liebst. Du hast die Brücke immer geliebt, und auch wenn ich Deine Faszination niemals teilen konnte, wie hätte sie nicht auch für mich etwas Besonderes sein können, da wir uns doch dort das erste Mal begegnet sind?
Ich erinnere mich noch immer daran, wie Du an jenem Tag ausgesehen hast, wie Dein langes Haar im Wind wehte, Du Deine schönen grünen Augen gebannt zusammengekniffen hast, während Du versuchtest, den perfekten Winkel für die perfekte Aufnahme zu finden. Deine Kamera war damals so etwas wie eine Verlängerung von Dir selbst.
Ich kann mich noch erinnern, wie hinreißend das Wetter an jenem Morgen war, an das flammende Orange der Hochhäuser, das sich vor dem tiefblauen Himmel abhob. Du hast die Linse nach oben gerichtet und versucht, dieses Bild einzufangen, als dieser Trottel in Dich hineinrannte und alles kaputt machte …«
Leonie lag im Bett, den Brief offen in ihrer Hand, und merkte, wie sie einen Kloß in der Kehle hatte. Er klang so wunderbar!
Es war ein Uhr, und ohne es zu wollen, hatte sie den ganzen Abend immer an die Briefe denken müssen und dem Drang nicht widerstehen können, noch einen zu öffnen, um zu sehen, ob sie etwas finden mochte, was ihr helfen könnte, sie ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Und verdammt – sie starb einfach vor Neugierde, was mit dem Paar passiert war.
Dieser Brief würde sie eindeutig auch nicht klüger machen, doch nach seiner Art zu schreiben zu urteilen, klang Nathan wirklich wie ein wunderbarer, netter, romantischer Typ. Seine von Herzen kommenden Worte und der Bericht, wie er und Helena sich auf der Brücke kennengelernt hatten, gaben ihr das Gefühl, als ob sie die beiden persönlich kennen würde, und zu entdecken, dass Helena auch gerne an diesem Fenster
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