P., Thomas
bringen
konnte. Gleichzeitig kam jedoch auch die ganze Wut wieder hoch, die sich in
den Wochen und Monaten zuvor in mir angestaut hatte:
Wo war sie denn, die Brüderlichkeit und die Kameradschaft
bei den Hells Angels?
Wer war schuld daran, dass Melanie in Bremen keine Arbeit
mehr fand?
Wer trug die Verantwortung dafür, dass meine Freundin ihre
kleine Tochter - das Kind eines Hells Angels - nicht mehr richtig versorgen
konnte?
Wer hatte denn eigentlich am Ende mich, meine Freundin und
deren Tochter verraten?
Die Hells Angels! Meine sogenannten Brüder waren die
eigentlichen Verräter! Und für diese Bande sollte ich nun meinen Kopf
hinhalten? Für diese Pisser hätte ich nun also ins Gefängnis gehen sollen und
mich an das ominöse »Gesetz des Schweigens« halten müssen?
4.
Ich verlangte, mit meiner Freundin sprechen zu dürfen.
Wenn ich eine Entscheidung treffen sollte, dann musste es in jedem Fall unsere
gemeinsame sein. Nur mit ihr zusammen wollte und konnte ich diese Angelegenheit
durchstehen.
Am folgenden Morgen kam Melanie zu Besuch. Wir sprachen
lange über die Sache und alle möglichen Konsequenzen, und zu meiner Verblüffung
war sie einverstanden. Meine Freundin gab mir unmissverständlich zu verstehen,
dass sie mich bei dieser schwierigen Entscheidung unterstützen würde. Und unser
kleines Mädchen auch. Melanie hatte mit ihr gesprochen, und es war klar
geworden, dass das Kind in mir tatsächlich seinen Vater sah. Und dass es sein
Leben unbedingt mit mir teilen wollte. Ich war zu Tränen gerührt.
Mein Anwalt versuchte mich von dieser Idee abzubringen,
aber nur wenige Stunden nach dem Besuch von Melanie ließ ich die Beamten vom
LKA rufen. Ich war bereit, meine Aussage zu machen. Denn eines stand fest: Wenn
das Boot schon untergehen sollte, dann wenigstens mit Mann und Maus!
Zunächst verlangte ich allerdings von den LKA-Leuten, mir
zu erklären, was sie mir zu bieten hatten. Was sie daraufhin alles aufzählten,
klang eigentlich gar nicht schlecht:
»Du machst eine Aussage und kommst mit einer
Bewährungsstrafe davon! Wir passen auf euch auf!
Ihr bekommt einen Umzug an einen unbekannten Ort bezahlt,
Geld spielt keine Rolle!
Ihr kriegt eine Wohnung, Möbel, alles, was ihr zu einem
neuen Leben braucht!
Den Kontakt mit euren Familien müsst ihr abbrechen, auch
den zu alten Freunden!
Wir sind immer für euch da!«
Wir sind für euch da! Verdammt, das war doch der Satz, den
ich mir in meinem Leben immer gewünscht hatte. Dass er nun ausgerechnet von ein
paar Bullen des LKA kommen musste, war eigentlich traurig genug. Aber alles,
was die Beamten mir vorgetragen hatten, klang einigermaßen vernünftig. Bevor
ich jedoch meine Aussage machte, wollte ich noch einen Termin bei dem leitenden
Oberstaatsanwalt. Ich wollte mir die ganzen Versprechungen der Bullen noch
einmal aus seinem Mund bestätigen lassen. Mit Melanie, meiner Lebensgefährtin,
als Zeugin. Und auch dieses Gespräch fand statt. Der Mann von der Strafverfolgungsbehörde
bestätigte, was seine Ermittler bereits versprochen hatten. Es war also an der
Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen...
Die Beamten wollten natürlich eine sogenannte
Lebensbeichte, doch so etwas war mit mir nicht zu machen. Zum einen wollte ich
nicht blindwütig mit Schrot auf alle schießen, die mich in den vergangenen
Jahren irgendwie begleitet hatten, und ich beabsichtigte selbstverständlich
auch nicht, mich bei Dingen, die nicht Bestandteil unseres Deals waren, in die
Scheiße zu reiten. Denn eines war ja klar: Ich war bei den unterschiedlichsten
Aktionen irgendwie anwesend. Ob ich dabei allerdings auch immer beteiligt war,
ging letztlich niemanden etwas an. Ich war tatsächlich bereit zu »singen«,
aber nur im Zusammenhang mit der Aktion gegen die Bremer Tacos.
5.
Nur kurze Zeit später wurde der Haftbefehl gegen mich tatsächlich
ausgesetzt. Der Staatsanwalt hatte sich also an seine Zusage gehalten. Obwohl
ich nichts von all dem schriftlich bekommen hatte. Eine Tatsache, die mir
später noch einige Male bitter aufstoßen sollte.
15 Namen standen nach meiner Aussage auf der Liste der
Ermittlungsbehörden. Ganz oben der des Sergeant at Arms. Es waren die Namen
der 15 Hells Angels — mich eingeschlossen —, die am 22. März 2006 die Bremer
Bandidos aufgelöst hatten und nun vor einem deutschen Gericht zur Rechenschaft
gezogen werden sollten. Der Fall konnte also gut zwei Jahre später doch noch
aufgeklärt werden. Und für mich stand
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