P., Thomas
Aufklebern,
Doc-Martens-Schuhen und einer schwarzen Bomberjacke. Mehr hatte es nicht
gebraucht, um in Aurich aufzufallen. Wie ich wirklich dachte, interessierte
ohnehin niemanden. Nur der äußere Schein, der zählte!
Natürlich imponierte mir auch meine Freundin Diana. Die
war mit einem Skinhead zusammen, der war schon 18, was in unserem Alter fast
schon bedeutete, dass er eine Generation weiter und reifer war. Er trug Glatze
und Springerstiefel und war eigentlich ganz okay. Er nahm uns mit zu Konzerten,
in seinem eigenen Auto, und dort hatten wir dann andere Skins getroffen, die
irgendwie auch in Ordnung waren, und schon fühlte ich mich wohl und geborgen.
Die Suche nach einer Familie dauerte ja schließlich noch an.
In der Schule indes brachten wir alle gegen uns auf. Wir
waren eine Handvoll »Nazis«, alle anderen hassten uns. Ich wurde ständig
angepöbelt und mit Eiern beworfen. Manchmal hielten sie mich fest und machten
Fotos - mein Fahrrad wurde mitunter mit einem Vorhängeschloss angekettet,
sodass erst der Hausmeister mit dem Bolzenschneider ranmusste. Ich weiß nicht
mehr, wie oft ich in dieser Zeit gepflegt eine aufs Maul bekommen habe, aber im
Grunde konnte sich fast jeder an mir vergreifen, denn ich war aufgrund einer
Wachstumsstörung relativ klein — und wegen meiner Haltung gewissermaßen auch
Freiwild. Aber je mehr die ganze Sache gegen uns lief, desto mehr ließ ich
meine Gesinnung, die ja eigentlich gar keine war, nach außen durchscheinen.
Selbst das Reformhaus von Dianas Eltern wurde mit Graffitis »verziert«: »Scheiß
Nazis« und »Nazis raus«, in meterhohen Buchstaben, aber das machte uns nur noch
überzeugter.
Und natürlich hatten wir irgendwann auch die Lehrer gegen
uns. Manche behandelten uns zwar fair, aber dem Großteil der »Pädagogen« konnte
man ihren Hass im Unterricht und auch bei den Benotungen deutlich anmerken.
All das sorgte dafür, dass die ersten meiner sogenannten
Kumpels schnell wieder absprangen. So cool war es dann offenbar doch nicht, rechts
und damit gegen den Rest der Welt zu sein, wenn die Noten nicht mehr stimmten.
Für mich war das aber keine Option. Unser Haus wurde mit Eiern beworfen, und
die Scheiben wurden eingeschlagen. Sollte ich deshalb aufhören und den Schwanz
einziehen? Niemals!
Am Ende waren an meiner Schule nur noch Diana und ich
übrig. Allein gegen alle. Diana war verknallt in ihren Skinhead, der zu meinem
großen Glück nie mitbekam, dass ich mit ihr zusammen in jener Zeit meine Unschuld
verloren hatte. Es war fast unvermeidlich, denn aus meiner Kinderfreundin
Diana war eine tolle junge Frau geworden mit blonden Haaren und beachtlichen
Brüsten. Es musste wohl einfach so sein, und es war wunderschön ...
Für mich kam es schon deswegen nicht infrage, plötzlich
auf »links« zu machen, weil man mich wochenlang erniedrigt hatte. Da gab man
nicht einfach auf. Das machte man nicht. Wir konnten ja längst nicht mehr in
Ruhe durch die Stadt gehen, aber das war der Preis, den wir für Sturheit und
Stolz zu zahlen hatten. Mal bekamen wir CS-Gas ins Gesicht gesprüht, ein
anderes Mal einfach nur unvermittelt eine aufs Maul. Und mit jedem Angriff
wurden Diana und ich bockiger. Die totale Eskalation sollte allerdings erst
noch kommen.
Als ich bei einer NDR-Reportage interviewt wurde und der
Film geschickt so geschnitten wurde, dass wirklich keine gute Seite mehr von
mir zu erkennen war, ging die Geschichte erst richtig los. Obwohl ich mich bis
dahin kein einziges Mal geprügelt hatte, stand ich plötzlich wie der letzte
Schläger da. Ich war in dem Beitrag zwar halbwegs unkenntlich gemacht worden,
aber in einer Stadt wie Aurich nutzte das nichts. Diejenigen, die es wissen
wollten, konnten mich identifizieren. Und so bekam ich schon einen Tag später
nach der Ausstrahlung Besuch.
6.
Mein Bruder und ich gingen gemeinsam aus dem Haus. Er war
damals 21 Jahre alt und wollte zur Fahrschule. Als ich vor unserem Haus nach
rechts blickte, sah ich an der Straßenecke fünf Typen stehen - eindeutig von
der linken Fraktion. Ich dachte mir zunächst noch gar nichts, schließlich
gehörte es mittlerweile zu meinem Leben, dass ich auf jedem Weg, den ich ging,
beschimpft und angemacht wurde. Gut, diese Typen hier waren schon etwas älter
als die, die mir sonst immer aufgelauert hatten, aber ich war mir eigentlich
sicher, dass sie nichts von mir wollten — und ging einfach los.
Als ich etwa hundert Meter weit gegangen war, krachte mir
plötzlich ein
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