Paarungszeit: Roman (German Edition)
etwas genervt ab, zog ihrerseits eine Zigarette aus ihrer Handtasche.
»Mist. Die Fragebogen für deine Umfrage sind schon verschickt. Ich hatte vor, das Ergebnis öffentlich zu machen, nur wenn es gut ausgesehen hätte, natürlich. Demoralisierung des Gegners. Psychologische Kriegsführung und so weiter, der Wunsch der Leute, einer Mehrheit anzugehören …«
»Du … du meinst … a Porno? Mit mir?« Jetzt erst ging ihr auf, was Christiane Breitner eben gesagt hatte. Mit zitternder Hand suchte sie nach Streichhölzern, als sie plötzlich ein Flämmchen vor sich aufleuchten sah.
»Mesdames?«
Lucien, das Akkordeon noch vor der Brust, hielt ihnen ein silbernes Feuerzeug vor die Nase.
»Danke. Äh, merci.« Verwirrt zog Therese an der Zigarette, und ihre Wahlberaterin lächelte dem Feuer gebenden Lucien zu, stieß eine achtunggebietende Qualmwolke aus.
»Merci beaucoup. Therese, jetzt erst recht, wir lassen uns nicht unterkriegen. Uns bleiben noch vier Wochen und drei Tage. Du wirst die Wahl gewinnen, ich versprechs dir.«
Am nächsten Tag kam ein Ausflugsbus voller Senioren an, und Therese hatte zu viel zu tun, um nachzudenken. Hungrige Rentner belagerten ihr Café und verlangten nach Cappuccino und Würsteln, die schnell im zehn Kilometer entfernten Supermarkt besorgt werden mussten, weil sie Franzis Würsteln nicht traute und seit den Filmgerüchten weder beim Mohnauer Metzger noch bei Toni kaufen wollte. Den ganzen Tag rannte sie zwischen Café, Laden und Pension hin und her, als wäre schon Hauptsaison. Während Fredl, dieser Hundling, die Gelegenheit nutzte, die Anzahl seiner Plakate zu verdoppeln. Und nebenbei eine verängstigte Gruppe weißhaariger Damen an der Ampel zu einem Bußgeld von je fünf Euro zu verdonnern. Was mit diesen Geldern geschah, wusste niemand genau. Aber es war nicht der geeignete Zeitpunkt, um danach zu fragen.
Alle, auch Fredl, begegneten Therese ausgesucht höflich, allerdings mit einem gewissen Funkeln in den Augen. Das sie, wie mit ihrer Wahlberaterin abgesprochen, einfach nicht zur Kenntnis nahm.
Ihre französischen Gäste schickte sie nach Mohnau, zu einer Führung von Susn. Sie blieben lange, kehrten begeistert schnatternd erst am späten Abend zurück. Sie seien alle zusammen zum Essen im Chez Lutz gewesen, berichtete Cedric bei der spätabendlichen Teebereitung in der Küche. Delphine de Brulée sei ganz begeistert von Susn, sie könne so gut Französisch und sei so höflich und so hübsch. Was er – Lächeln, aufblitzendes Leuchten hinter den Brillengläsern – nur bestätigen könne.
Therese nickte, so bescheiden wie möglich.
»Sie heiratet bald!«, sagte sie zu der gerade eintretenden Delphine. »Große Hochzeit. Great Bavarian Wedding! Im Dirndl! Hoch-Zeits-Dirndl!«
Delphine und sie sahen Cedric an, aber die Übersetzung schien ihm schwerzufallen, natürlich: Es gab bestimmt kein Wort für Hochzeitsdirndl im Französischen, und fast musste es einem leidtun, wie er daran herumkaute. Delphine nickte schließlich lächelnd, nahm ihren Kamillentee und entschwand. Gleich darauf drang aus dem Eckzimmer ein schneller, heftiger Monolog voller Mattjös, mit wenigen kurzen Pausen, in denen Mattjö vermutlich zu Wort kam. Cedric verließ ebenfalls die Küche, und Therese schob die Gardine beiseite, sondierte die Lage auf dem Parkplatz: Die Zahl der Schaulustigen hatte merklich abgenommen, die von ihrer Wahlberaterin empfohlene Nichtbeachtungstaktik schien zu fruchten. Sie konnte es wagen, nach Hause zu gehen. Zu einem Stamperl Kräuterlikör. Einem Trost-Apfeldatschi mit Sahne. Und Willie Nelson. Unter dessen Songs sie einschlief, auf ihrem Sofa.
Wachgeküsst wurde sie von der Morgensonne. Ein blitzblauer Tag. Ein Tag wie eine Belohnung. Vielleicht war doch alles halb so schlimm. Die Filmgerüchte würden schnell einschlafen, wenn sie bei ihrer Taktik blieb. Und ihre Wahlberaterin sann bereits über wirkungsvolle Gegenschläge nach. Warum nicht Girgl von der Zeitung informieren? Darüber, dass Fredl Weidinger die Anwesenheit internationaler Gäste in der Pension von Therese Engler zur Ausstreuung kleinlicher Gerüchte missbrauchte und damit der touristischen Entwicklung der Region schadete? Nicht schlecht. Gar nicht schlecht.
Kurz entschlossen zog Therese ihren Badeanzug an und lief zum See. Zärtlich glucksten die Wellen, frühlingsfrisch, kühl und noch frei von Sonnenölresten empfing das Wasser des Brachsees die künftige Neuenthaler Bürgermeisterin. Sie schwamm
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