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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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ihrem iPhone auf, dessen Hupton gerade die Ankunft einer SMS verkündet hatte.
    »Hmmm … sieht schon ganz … äh … nett aus«, murmelte sie.
    »Vielleicht oben etwas … Meinst du denn, du kannst darin den Hochzeitswalzer tanzen? Probier doch mal!«
    »Tanzen?« Die Verkäuferin stemmte die Arme in die Hüften und musterte mich, als hätte ich vor, in dem Kleid einen Stall auszumisten. Sie war jung, hatte violette Strähnchen im schwarzgefärbten Haar, und sie berlinerte. Was Gina veranlasste, noch hochdeutscher zu sprechen als sonst. Und dazu führte, dass ich mir mit meinem bayerischen Akzent fremd vorkam. Mitten in München.
    »Nur wenn Se det Kleid mit den Schwitzflecken denn ooch koofen«, nölte die Verkäuferin, und die anderen Bräute drehten sich zu uns um. Auch die anderen, dezent gestylten und freundlichen Verkäuferinnen sahen zu uns herüber, stirnrunzelnd. Vermutlich war die violett Gesträhnte das Ergebnis eines unaufmerksamen Moments einer Personalchefin. »Und nur auf dem Hocka«, blaffte sie jetzt. »Sonst schleift der Reifrock auf dem Boden und det jeht jaa nich.«
    Auch alle anderen Bräute standen auf Hockern, anscheinend waren all diese Hochzeitskleider für Frauen ab ein Meter achtzig gedacht. Die außerdem um die fünfzig Kilogramm wogen. Und von denen keine Einzige im Laden zu sehen war.
    Bei einigen Bräuten schien es sich mit den Zahlen fünfzig und achtzig geradezu umgekehrt zu verhalten. Ein schwacher Trost. Und Tanzen war das Letzte, was ich jetzt wollte. Ich wollte raus! Aus diesem Geschäft und diesem Rüschenalptraum! Vorsichtig schöpfte ich einen halben Milliliter Luft. Und stieß sofort an Sissis Grenzen.
    »Gina – ich – will – dieses – Kleid …«, brachte ich hervor, aber ausgerechnet vor der alles entscheidenden Negation versiegte mein Atemstrom. Warum nur stellte man im Deutschen die wichtigsten Wörter immer ans Satzende?
    »Na bestens!« Die Augen der Verkäuferin leuchteten, als spürte sie schon Robert Pattinsons Zähne in ihrer Halsgrube. »Ick geb Ihnen zwanzig Prozent Rabatt und ein Bolerojäckchen dazu. Könnse die Oberarme mit kaschiern. Sieht picobello aus.«
    Floh hob misstrauisch witternd den Kopf, und ich schnappte verzweifelt nach Luft, wie ein Apnoetaucher, der nach einem neuen Rekord ohne Pressluft an die Wasseroberfläche schießt. In der Tauchschule von Onkel Hartl hatte ich gelernt, dass man mit einem einzigen kräftigen Atemzug Zwerchfell, Lungen und Flanken füllen könne. Wobei ich mich immer gefragt hatte, wo die Flanken waren. Jetzt wusste ich es: dort, wo die Nähte krachten.
    »Ich will keine Oberarme kaschieren! Ich will keine Sissi!« Die große Luftmenge, die mir plötzlich zur Verfügung stand, verschaffte mir das Stimmvolumen einer Opernsängerin, und der gesamte Laden wandte sich uns zu. Floh hob den Kopf und knurrte.
    »Aus, Floh. Platz!«
    Aber nicht Floh war es, der Ginas Befehl folgte: Ich spürte, wie die Reißverschlusszähnchen in meinem Rücken auseinandergetrieben wurden, knatternde Abschiedslieder singend, Kameraden, es war schön mit euch. Immer schneller lösten sie sich, beinahe freudig, und zur Krönung der allgemeinen Befreiung sprangen rund um meine Hüften Perlen ab, rollten über den Boden. In den ich so schnell wie möglich versinken wollte.
    »Det gibt’s ja nich! Die sprengt mir glatt die Sissi!«
    Die lila Gesträhnte schoss auf mich zu, pellte mich unsanft aus dem Kleid, Bräute, Verkäuferinnen, Freundinnen und Mütter glotzten mit offenen Mündern, die Ersten begannen zu kichern, und aus Flohs Kehle kam ein immer bedrohlicheres bestialisches Grollen.

    Auf der Rückfahrt schwiegen wir. Die Wuffi-Wellness-Musik rauschte aus den Boxen. Floh hechelte schuldbewusst.
    Dann sah Gina mich von der Seite an.
    »Okay, hätte besser laufen können.«
    Die Untertreibung des Jahrtausends. Ich lehnte den Kopf an die Scheibe, versuchte, den Film, der unerbittlich über meine innere Leinwand flackerte, auszublenden, aber es gelang mir nicht: Eine lila gesträhnte Verkäuferin flüchtete kreischend durch den Laden, Sissi hinter sich herschleifend, ein Hund nahm begeistert die Verfolgung auf, hetzte an bleichen Bräuten vorbei, ließ sich nicht von dem Schleier aufhalten, den der einzige Bräutigam todesmutig schwenkte. Ginas verzweifelte Rufe: »Der tut nichts!« verhallten, schon verschanzte sich die Verkäuferin hinter der Prosecco-Bar, Sissi als Bissschutz um den Arm gewickelt, und Floh, umhüllt von dem cremefarbenen

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