Paarungszeit: Roman (German Edition)
drehte sie sich noch einmal zu Fredl um. Er hatte die Fäuste sinken lassen, die Nase gegen die Scheibe gedrückt und starrte an ihr vorbei, mit aufgerissenen Augen, als hätte er ein Gespenst gesehen.
»Madame?«
Auch das noch! In der offenen Tür stand Lucien. Er trug ein T-Shirt, zweifellos ein Männershirt, in Schwarz, mit V-Ausschnitt. In dem sich wenige dunkle Brusthaare kräuselten. Im Flurlicht der Pension sah er männlich entschlossen, beinahe finster aus.
»Därese? Nuu, zum Glügg läbsde ja noch, das wor een Geglobbe äben, wir hom gedachd …« Üwe hatte sich an Lucien vorbeigedrängt und verstummte beim Anblick von Fredls Gesicht an der Scheibe.
»Sie unverschämder Badron, was machen Sie hier uff dem Ballgong von der …«
»Üwe! Bass bloss üff!« Judda versuchte, ihren Mann zurückzuhalten, aber Üwe riss sich los, war mit einem Satz im Zimmer, und auch Lucien stürzte herein, gemeinsam rissen sie am Griff der Balkontür.
»Mit dem Schweinskram hats bald an End, da könnts oan drauf lossn!«, schmetterte Fredl ihnen entgegen, schwang ein Bein schneidig über das Geländer, dann das andere und entkam über die Leiter. Zurück in der Kaisersuite blieben Üwe, in einem Shirt, das aus alten DDR-Armee-Beständen zu stammen schien, und einer durch mehrere Kochwäschen veredelten Unterhose, Judda, ebenfalls leicht bekleidet, in etwas, das man als Negligé bezeichnen konnte, und Lucien, in T-Shirt und weißen Shorts. Alle drei starrten abwechselnd auf Therese, die offene Balkontür und das Bild auf dem Display ihres Computers. Auf dem deutlich das Bild eines Mannes zu sehen war, der Nylonstrümpfe trug, Strapse, Stöckelschuhe und sonst nichts.
Der Rest dieser Nacht verging langsam, quälend langsam. Irgendwann schlief Therese erschöpft ein, träumte wirr, davon, dass in ihre Pension ein Glasaufzug eingebaut würde, und von Fredl in seiner grünen Polizistenjacke und Nylonstrümpfen. Am nächsten Morgen servierte sie eine reduzierte Petit-Brotzeit, und weil sowieso Sonntag und ihr Laden geschlossen war, geleitete sie die Franzosen über den Tännchenweg, zeigte ihnen den Campingplatz, den Aussichtsturm und die Tauchschule ihres Bruders. Wo es besonders Delphine de Brulée zu gefallen schien. Immer wieder befühlte Delphine die Taucheranzüge, die im Verkaufsraum hingen, brach in Tausende begeisterte Ouis und Ahs aus, und schließlich lud Hartl sie alle auf seine Miniyacht zu einer Seekreuzfahrt ein. Cedric lehnte höflich ab, er werde leicht seekrank, dafür kam Christiane Breitner mit und bückte sich im Lauf der Fahrt mehrmals nach heruntergefallenen Nichtigkeiten. Lucien, auf einem Klappstuhl an der Reling, spielte Akkordeon, und unter der Musik berichtete Therese Engler ihrer Wahlberaterin mit gedämpfter Stimme, was in der Nacht zuvor geschehen war.
»… und dann hams alle des Buildl gesehn, von dem Mannsbild mit de Strapsn!«
Vor Aufregung verfiel sie ins Bayerische. Christiane schwieg eine Weile, sah Delphine de Brulée nach, die auf zierlichen Pantoletten übers Deck stöckelte, warf einen Blick hinüber zu Lucien, dessen Augen glitzerten, grün wie das Wasser des Brachsees, wandte sich dann wieder Therese zu.
»Es geht mich ja nichts an, aber … wieso hattest du eigentlich nach diesem Nylonstrumpf-Typen gegoogelt?«
Ein Thema, das äußerster Diskretion bedurfte. Therese beugte sich vor, senkte die Stimme. »Weil er«, unmerkliches Kopfrucken zu Lucien, »so einer is. Aber sags bloß ned weiter, wenns es erfahren, dann ists ganz aus mit der Toleranz!«
Darauf ließ sich Christiane die ganze Geschichte erzählen, angefangen von der Fetisch-Bar, schaute nachdenklich den spielenden Lucien an, dann noch nachdenklicher den schweigend steuernden Hartl, neben dem jetzt, zart und zerbrechlich, Delphine de Brulée stand.
»Und wovor genau wollte dich Fredl retten?«
Worauf Therese erneut die Stimme senkte und ihr von den Bemerkungen über Badewannen mit Löwenfüßen und Wogen erzählte, auch von seltsamen Erwähnungen eines Drehbuchs, das die Brulée schreibe.
»Was soll ich denn jetzt nur machen?« Therese fischte eine Zigarette aus der Packung in ihrer Tasche. Die erste seit der Fetisch-Bar.
»Leonhard, hast du das gewusst?« Christiane erhob die Stimme, über das leise Brummen des Motors und das Wellengeplätscher hinweg. »Ganz Neuenthal und halb Mohnau glaubt anscheinend, in Thereses Pension wird ein Pornofilm gedreht!«
»Jo mei.«
Mehr kam nicht, und Christiane wandte sich
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