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Paarungszeit: Roman (German Edition)

Paarungszeit: Roman (German Edition)

Titel: Paarungszeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Brendler
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ich fuhr herum. Was war das? Gina schien nichts gehört zu haben, auch Floh reagierte nicht, hechelte Richtung Fenster.
    »Vielmehr, sie haben telefoniert. Jetzt natürlich nicht mehr.« Zumindest hoffte ich das.
    »Er liebt dich, ja? Bist du dir ganz sicher?«
    Ich nickte. »Er … er sagt, er wird es überwinden.«
    Ob ihm das gelang? Bei einer Frau, die, zumindest nach den Fotos zu urteilen, den ganzen Tag in Trekking-Hotpants und Bikinioberteil herumlief, ein Einmachglas mit Asseln in der Hand. Gemeinsam würden sie wunderbare Lebendfutterzuchten anlegen.
    »Feeein«, sagte die Stimme. Wieder sah ich mich um. Nichts. Gina war damit beschäftigt, einen Meter weiterzukriechen, auf die nächsten Bremslichter zu. War es etwa so weit? Hörte ich jetzt schon Stimmen? Vor Kummer? Oder hatte Özcan Breithuber bei unserer Sitzung meine Seele für irgendetwas Außerkörperliches empfänglich gemacht? Um die Stimme und meine eigenen Gedanken zu übertönen, erklärte ich Gina zum ungefähr hundertsten Mal seit meinem ersten verzweifelten Anruf bei ihr, dass Timo gar nicht von Goldflossys Äußerem beeindruckt sei, sondern vom Gleichklang ihrer Seelen.
    »Jaaa!«, sagte die Stimme. »Schööön!«
    Warum bloß schien diese Stimme alles toll zu finden, was Kampffischfreak und Goldflossy verband? Was wollte sie mir sagen? Dass ich Timo … ich schnappte nach Luft … freigeben sollte für die Frau, die ihn wirklich tief und innig verstand? Aber Timo hatte mir doch mit zitternder Stimme versichert, Seelengleichklang hin und her, nur ich sei diejenige, die seine Frau …
    »Leeckerli«, unterbrach die Stimme meine Gedanken, Floh jaulte begeistert auf, und endlich begriff ich, dass die Stimme aus den Boxen kam und zur Musik gehörte. Es sei eine spezielle Hunde-Entspannungsmusik, erklärte mir Gina. Sie habe sie vor zwei Wochen bei wuffi-wellness.wow bestellt, obwohl sie nicht an solchen Quatsch glaube. Sie warf einen Blick nach hinten, auf den jetzt glücklich hechelnden Floh, dann nach vorne, auf den stehenden Verkehr, und setzte den Blinker. Nach rechts. Und bevor ich fragen konnte, ob diese Musik vielleicht auch bei Fischen wirkte – hatten Fische überhaupt Ohren? Goldflossy würde es mir sicher sagen können –, steuerte Gina das Auto auf den Standstreifen und gab Gas.
    »Susn, wenn wir es noch schaffen wollen mit der Anprobe, müssen wir andere Maßnahmen ergreifen.«
    Aber nur einen Kilometer nach ihrem beherzten Lospreschen brachte sie ein langsam in der Mitte vorbeifahrendes Polizeiauto dazu, sich kleinlaut wieder in den Stau einzureihen. Als wir nach anderthalb Stunden vor der Münchner Boutique ankamen, hatten wir die Wuffi-Wellness-CD dreimal gehört und unser Anproben-Zeitfenster war längst geschlossen.
    »Schicksal«, murmelte ich ergeben. All mein Goldflossy-Elend stieg in mir hoch und trieb mir die Tränen in die Augen, aber Gina schüttelte den Kopf.
    »Jetzt erst recht!« Sie schob mich zurück ins Auto und fütterte ihr williges Navi mit den Adressen aller Brautmodenläden der Stadt. Die Sonne stand hoch, und Flohs Zunge hing tief, als wir endlich eingelassen wurden, in ein Geschäft am südlichen Stadtrand, dessen Chefin schon einmal im Chez Lutz in Mohnau gewesen war und sogar verstand, dass ein erschöpfter Floh sich nicht in der prallen Sonne vor einem Geschäft anbinden lassen würde. Natürlich waren alle Kabinen mit rosenumkränzten Spiegeln und roten Samthöckerchen längst besetzt, uns blieben ein wackliger Holzhocker mitten im Raum, ein Sonderangebots-Sissi-Modell in Größe 38 und eine eiligst herbeizitierte Verkäuferin, die gerade auf dem Weg in ihre Mittagspause gewesen war. Ihrer Laune nach zu urteilen, verpasste sie mindestens eine Verabredung mit Robert Pattinson aus Twilight. Sie nötigte mich in Stilettos, geschätzte acht, gefühlte dreißig Zentimeter hoch, dann auf den wackligen Hocker, dessen Fläche höchstens die Maße einer Minipizza hatte. Schnaufend half sie mir in das Kleid, eine rosa Rüschenlandschaft unübersehbaren Ausmaßes, zurrte fest, zog stramm und versuchte schließlich, die Kunststoffzähnchen des Reißverschlusses in meinem Rücken zu überreden, sich ineinander zu verklammern. Ich meinte geradezu, die Durchhalteparolen hören zu können, die ein Zähnchen dem anderen zurief: »Auf, Kameraden, einer für alle, alle für einen, gemeinsam schaffen wir es!« Allerdings nur, wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkam. Zum Beispiel ein Atemzug von mir. Gina blickte von

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