Paarweise
aufgestellter Unternehmer kommt nach einer Geschäftsverhandlung in seine Firma zurück. Er war gescheitert. Das kommt auf der Welt täglich tausendfach vor. Was war in diesem Fall passiert? Die Gespräche mit dem seit Jahren größten Auftraggeber führten nicht zu der gewohnten und erwarteten Vertragsverlängerung. Man will etwas Neues, Ungewohntes, der jungen Truppe einer neuen Firma eine Chance geben. Wieder zurück in seiner Firma entlädt er sich. Im geschützten, vertrauten Rahmen, umgeben von abhängigen Beschäftigten, kippt seine Aggression um in Aggressivität, und alle bekommen auf ihre Weise seine Frustration zu spüren. Einige kennen sein cholerisches Verhalten in solchen Fällen bereits und sagen sich: Das geht vorüber. Andere haben deshalb schon gekündigt.
Als er mir diese Ausrutscher im Laufe eines Coaching-Gesprächs erzählt, bekennt er sich dazu, dass er dann abends, zuhause bei
seiner Frau, gleich weitermacht. Auch hier wird wie in der Firma der Frust von außen am unschuldigen Gegenüber aktiv und massiv destruktiv abgeladen.
Dank seiner Einsicht, Intelligenz und Motivation gelang es schrittweise, alternative, souveräne Selbstmanagementstrategien einzuüben, die es ihm erlaubten, auch emotionale Erdbeben so zu steuern, wie man es von einem erwachsenen Menschen erwarten möchte.
Jeder kennt das: Wenn man nicht kann, wie man will, wird man ärgerlich. Was passiert hier in unserem Inneren? Es beginnt meist mit einer Frustration: Das Gefühl, behindert, blockiert, ausgebremst zu werden, mobilisiert Energien. Die Folge: Unser biopsychologischer Autopilot, der nur zwei Aktionsrichtungen, nämlich Kampf oder Flucht kennt, wählt als erstes den Kampf als einen möglichen Weg, doch noch das Ziel zu erreichen.
Diese Energie-Mobilmachung in unserem Körper liefert nun das Potential für Aggressionen, zunächst in Form wertneutraler Energie. Man kann eine gesunde Wut entwickeln, und wenn es einem gelingt, dabei einen kühlen Kopf zu bewahren, kann man damit auch etwas bewegen: mit klugen Argumenten hartnäckig dranbleiben und überzeugen, oder ganz aktional einen Baum fällen, der einem immer schon die Sonne genommen hat, den Garten umgraben, Holz hacken, endlich Ordnung in der Garage oder im Keller schaffen. Oder eher abstrakt, einen Leserbrief schreiben, ein Klärungsgespräch führen oder eine Firma gründen.
Häufig sind diese Möglichkeiten, die Aggressions-Energie konstruktiv zu entladen, aber einfach nicht gegeben oder sie werden nicht gewählt. Folglich staut sich die Aggression an und kippt um in Aggressivität. Die Aggression beginnt, destruktiv zu werden. Aber die Wut muss schließlich raus. Wer bekommt sie ab? Das ist nun der entscheidende Punkt: der Partner oder die Kinder.
Experiment: Die Skinner-Box
Der amerikanische Psychologe Skinner, Mitbegründer der Verhaltenspsychologie, konnte diese Ereigniskette bei Tieren nachweisen. Er baute einen Käfig, in dem eine Taube mittels einer Taste die Zufuhr von Futterkügelchen selbst steuern konnte. Ziemlich rasch lernte die Taube, wenn sie Hunger hatte die Taste zu drücken und wurde für diese Leistung mit einem Futterkügelchen belohnt. Blockierte man allerdings die Zufuhr, zeigte die Taube zunehmend aggressives Verhalten. Zuerst drückte sie immer wieder auf die Taste, schließlich schlug sie mit ihrem Fuß auf die Taste ein – wie ein Mensch auf einen blockierten Automaten. Nach einer Weile vergeblichen Bemühens ließ die Taube von der Taste ab und hackte stattdessen auf eine andere im Käfig befindliche Taube ein. Als die zweite Taube gegen eine Holztaube ausgetauscht wurde, ging die aggressive Taube auf diese los.
In der Aggressionsforschung dient Skinners Beobachtung als Erklärungsmuster für aggressives Verhalten in massiven Streits, bei Gewalt in der Ehe bis hin zu Amokläufen.
Es gibt allerdings auch Menschen, die ihre destruktive Energie nicht gegen einen anderen richten (können). Da sie nicht wissen »wohin mit ihrer Aggression«, richten sie sie gegen sich selbst. Dies kann sich in verschiedenen Formen äußern, in Depressionen oder aktivem selbstzerstörerischen Verhalten, das von Selbstverletzungen bis hin zum Suizidversuch reicht.
Der Druck des Machbarkeitswahns
Die Menschen in der westlichen Welt sind an ein hohes professionelles Niveau gewöhnt, das beinahe alle Lebensbereiche durchzieht. Wo noch etwas fehlt, wird nachgebessert. Insbesondere seit sich in vielen Konzernen die Unsitte breitgemacht hat, dass statt
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