Paarweise
verunsicherbar, sympathisch und gefällig, aber auch launisch und gefährdet, von Sektenfängern und Schmeichlern fehlgeleitet zu werden. Es geht nicht um narzisstisch oder nicht narzisstisch – denn letztlich sind wir alle kleine Narzissten. Die Frage heißt vielmehr, handelt es sich um gesunden oder krankhaften Narzissmus?
Ich spreche vom krankhaften Narzissmus dann, wenn jemand sein Selbstgefühl lediglich auf seinen Status und seinen Besitz aufbaut, ohne selbst dahinter zu stehen, und sich dadurch in übersteigertem Maß wichtiger nimmt, als er ist. Das Krankhafte liegt vor allem im Übersteigerten. Er vergeudet zu viel Energie mit seinem Narzissmus und ist wahrscheinlich auch
nicht fähig, eine länger dauernde Partnerschaft mit entsprechendem emotionalem Austausch zu führen. Er wird für andere unglaubwürdig und kommt sich selbst insgeheim als Hochstapler vor. Das muss nicht heißen, dass ein kranker Narzisst in eine Klinik gehört.
Der gesunde Narzisst wird ein Leben neuen Stils führen, indem er die Möglichkeiten unserer Zeit nutzt – ohne ihr abhängiger Sklave zu werden: Er kann das Leben zu zweit genießen, aber auch etwas mit sich anfangen, wenn er allein ist. Er genießt es, anerkannt, bewundert, gemocht und geliebt zu werden, aber er kann auftanken, speichern und davon zehren. Er muss nicht dauernd Komplimente bekommen. Er liebt es, verwöhnt zu werden – emotional, sexuell, finanziell. Er kann aber auch geben, ohne auf den Tauschwert achten zu müssen – also seinen Partner verwöhnen, ohne gleich darauf zu achten, was ihm das bringt. Genießen und Verwöhnen – zwei Begriffe, die bei wirklich reifer Lebenskunst zusammengehören.
Strategien zur Überwindung des krankhaften Narzissmus
Der erste Schritt dazu ist, sich selbst zu seinem Narzissmus zu bekennen. Eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung braucht Platz für das Ausprobieren des eigenen Selbst. Die eigenen Bedürfnisse wollen entdeckt, erfahren und der Umgang mit ihnen trainiert werden. Die wichtigsten Erfahrungen macht man dann, wenn man einfach so ist, wie man ist. Doch wie soll der junge Mensch das lernen, wenn er immer nur reagiert statt agiert ; wenn er mehr darauf achtet, was er tun soll , als darauf,
was er tun will ; wenn er, ohne es zu wissen, sich laufend an den Erwartungen der Außenwelt , anstatt an seiner Innenwelt orientiert – um sich nur ja die Liebe seiner Eltern nicht zu verscherzen! Was in einer derartigen Entwicklung gefehlt hat, ist das neugierige und angstfreie »Entdecken-Dürfen« eigener Bedürfnisse, um sie kennen und auf diese Art mit ihnen umgehen zu lernen. Und um mit seinen vielfältigen – eben zu einem kompletten Menschen gehörigen – Seelenanteilen Freundschaft zu schließen.
Sich selbst anzunehmen, wie man ist, heißt das Lernziel in meinem Coaching und in der Psychotherapie, in der der Mensch versuchen kann, diese wesentliche emotionale Erfahrung nachzuholen, die ihm in der Erziehung versagt geblieben ist: das Gefühl, angenommen zu werden, so wie man ist. Das ständige Bestreben, besser sein zu müssen, hat zur jahrzehntelangen Verdrängung des eigenen Selbst geführt.
Die zwei Typen des heutigen Narzissten
Oft sind Menschen sehr verschieden und dennoch beide Narzissten. Bei genauerer Betrachtung erkennt man zwei Typen: den aktiven und den passiven Narzissmus-Typ. Einige Merkmale sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Hier wird deutlich, weshalb zwei narzisstische Menschen oft so unterschiedlich wirken können.
Aktiver und passiver Narzissmus
aktiver Narzissmus
passiver Narzissmus
Ist abhängig vom Beifall der Menge, glaubt an die eigene Grandiosität: »Ich bin der Star.«
Ist abhängig von einem Star: »Ich bin die Frau von …, der Fan von …, und der/die ist grandios!«
Neigt zu Neid , denn es könnte ihm sein Pseudo-Status streitig gemacht werden.
Neigt zu Eifersucht, denn er könnte aus seiner Fan-Position verdrängt werden.
Persönlichkeitstyp: schizoid. Er sieht sich selbst als Mittelpunkt der Welt.
Persönlichkeitstyp: depressiv. Er kreist um einen scheinbar omnipotenten Mittelpunkt der Welt.
Neigt zu Eigenbrötlerei .
Neigt zu Abhängigkeit .
Familiengeschichten: Die Mutter war wahrscheinlich zu nah.
Familiengeschichten: der Vater war wahrscheinlich zu fern.
Partnerschaft: Hat Angst vor zu viel Nähe .
Partnerschaft: Hat Angst vor dem Alleinsein bzw. vor dem Verlassen-Werden.
Neigt zu Sadismus .
Neigt zu Masochismus .
Neigt zu Exhibitionismus . (»Schau Mama,
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