Paarweise
selbstbemitleidenden Tendenz, damit zu hadern, wie hart die Welt zu ihr sei. Sie hat der Welt verziehen, ihrer Mutter und vor allem ihrem Vater verziehen, dass sie so sind, wie sie sind: Menschen und keine Götter. Und sich damit von der Illusion befreit, das Kind von Göttern zu sein: Sie muss nun weder Prinzessin noch etwas anderes Besonderes spielen. Sobald sie sich selbst als Mensch annehmen konnte, fiel es ihr auch relativ leicht, ihrem Mann zu verzeihen, dass auch er nur ein Mensch ist.
Sie übernahm zunehmend mehr Verantwortung für ihr eigenes Lebensgefühl. Ihr wurde bewusst, dass sie viel Energie vergeudete, indem sie auf der einen Seite »Flausen« nachjagte, wie sie es selbst nannte, auf der anderen Seite aber eigene Anteile gar nicht lebte, aus einem indifferenten Gefühl der Angst heraus, dass ihr dies nicht zustünde.
Eine Zeitlang war sie voller Selbstmitleid und Selbstanklage. Dann fügte es sich, dass sie einen Mann traf, mit dem sie eine sehr intensive und gegenseitig förderliche Beziehung einging. Therapie war nicht mehr nötig. Als ich sie eineinhalb Jahre später durch Zufall traf, sagte sie mir, dass sie mit diesem Mann jetzt zusammenlebe. Sie habe die Hoffnung, es zu schaffen, sich auf die Beziehung einzulassen und trotzdem sie selbst zu bleiben. Mit dem Ziel, ihre Identität auch in der Intimität zu bewahren – Hingabe ohne Aufgabe.
Wo liegt die große Veränderung zwischen der Zeit, in der man »niemanden hat« und der Zeit, in der man »endlich einen Partner hat«? Sie liegt wohl darin, dass man nicht mehr unter dem Gefühl des Versagens oder Nichtgeliebtwerdens leidet, sondern jetzt auch »dazugehört«; der Partner löst diese negativen Gefühle durch seine Existenz auf. Es ist wie ein Wechsel vom Minus-Zustand zum Null-Zustand; man ist frei von den nagenden Einsamkeitsgefühlen.
Als positive Motivation , eine Partnerschaft einzugehen, bezeichne ich die Begründung, die ein reifer Mensch für den Beginn einer Partnerschaft sieht. Der autonome, reife Partner ist allein lebensfähig, und zwar hat er die erfüllende Lebensqualität für sich bereits gefunden. Er kann bereits, ohne dafür einen Partner zu benötigen, ein Leben führen, das er als zufriedenstellend bezeichnen würde. Mit dem Wissen, im Leben zurechtzukommen und dem Gefühl, sich und die Welt zu mögen und gerne zu leben, ist er nicht abhängig von der Präsenz eines Partners. Vielmehr sieht er sich selbst als die Ursache für die dynamische Balance seines Lebensgefühls. Würde ein Partner in sein Leben treten, bedeutete diese Veränderung eine Steigerung, eine Verbesserung im positiven Bereich. Er ist weitgehend gefeit vor Abhängigkeit, dem Zeitzünder für jede Beziehung. Denn alles, was er mit dem Partner erlebt, gehört sozusagen zu den Luxusseiten des Lebens. Würde der Partner ihn eines Tages verlassen, so wären seine existentiellen Grundpfeiler nicht gefährdet. Das schafft Freiwilligkeit.
Im ersten Fall, in dem der Partner nötig ist, um das Gleichgewicht zu finden, ist die Grundmotivation der Beziehung die Angst , den Partner zu verlieren. Im zweiten Fall ist die Grundmotivation
die Liebe , das hoffnungsgeladene Streben, gemeinsam mit dem Partner mehr aus seinem Leben zu machen. Liebe ist Vertrauen. Vertrauen gibt Sicherheit. Ich habe bei einem Menschen, den ich liebe, keine Angst, mich so zu zeigen, wie ich bin, mich so zu äußern, wie ich mich fühle, zu sagen, was ich denke. Ich erweitere meine Ich-Grenzen um das Du. Das gibt meinem Geliebten die Freiheit, dasselbe zu tun. Jetzt wandelt sich das Zusammensein vom Kontakt zur Begegnung. War der Austausch von zwei Menschen in einem Raum erst beschränkt auf die gemeinsame Atemluft, entwickelte er sich weiter, wie auf einer Stufenleiter: Worte, Berührungen und Blickkontakte wollen Gedanken und Gefühle austauschen, gemeinsam erleben oder gegenseitig abgrenzen. Meine Ausstrahlung, mein Lächeln, bewegt den anderen. Seine Resonanz darauf bewegt mich. Gemeinsame Bewegung erzeugt Begegnung. Eine Kette von Begegnungen mit demselben Menschen wird zur Beziehung. Wie die Partikel einer Schwingung – die vielen, jeweils bewusst in der Gegenwart gemeinsam als Begegnung erlebten Hier- und Jetzt-Erfahrungen aneinandergereiht – ergeben sie die Beziehungskurve.
Die Vision
»Die Lösung ist die Lösung ist die Lösung.« (Lermer)
Das bedeutet: Die Lösung – in Form der Ablösung – macht frei von Unpassendem und zugleich frei für Passenderes, ist damit
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