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Paarweise

Paarweise

Titel: Paarweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lermer
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was ich kann/ bin/habe.«)
Neigt zu Voyeurismus (»Wo ist der Papa, der mir die Verantwortung für mein Leben abnimmt?«) und zu einem Leben aus 2. Hand.

    Im Sinne einer folie à deux können beide sich zu einem passenden neurotischen Paar ergänzen, das der Züricher Psychotherapeut Jürg Willi als »Kollusion« analysierte. Das geht so lange, bis einer von beiden anfängt zu reifen und damit seinen Narzissmus überwindet. Aber man kann seinen Narzissmus nur überwinden, wenn man ihn akzeptiert hat. Ein Match, das man nicht antritt, kann man nicht gewinnen. Die Gefahr besteht darin, in einer narzisstischen Form scheinbarer Selbstverwirklichung stecken zu bleiben.
    Als Ziel bleibt die Selbsttranszendenz, also über sein eigenes, kleines Ich hinauszuwachsen. Das ermöglicht nicht nur eine neue Form von Beziehungsfähigkeit, sondern auch eine reife Kombination aus persönlicher und gemeinschaftsorientierter Verantwortung für eine Kulturgesellschaft. Die Überwindung des Narzissmus fängt mit echter Kommunikation an.

Zweisamkeit aus Liebe oder Angst?
    Eine der Hauptursachen für das so verbreitete Scheitern von Beziehungen liegt darin, dass sich zwei Menschen aus negativer statt aus positiver Motivation zusammentun. Beide verbinden sich miteinander, um nicht mehr einsam sein zu müssen, um »jemanden zu haben« für das Wochenende, für Partys, für den Urlaub, für lange Abende.
    Fallbeispiel: Lernziel »Hingabe ohne Selbstaufgabe«
    Sie war auf der Suche nach sich selbst. 40 Jahre alt, Sekretärin, nicht hübsch, aber auf den zweiten Blick recht attraktiv und mit einer gewissen vitalen und erotischen Ausstrahlung. Sie war unzufrieden mit ihrem Leben und hatte erkannt, dass sie selbst etwas daran ändern musste. »Aufgewacht« sei sie aber erst vor ein paar Jahren. »Vorher war alles irgendwie anders, alles ohne Probleme, aber nicht ganz wirklich«, meinte sie rückblickend.
    Er war in ihrer Firma der schönste unverheiratete Mann, den sie erobert hatte. Heirat, der Sohn. Dann etwa zehn wunderbare Jahre, in denen sich »zwei einsame Menschen aneinandergelehnt haben, um sich gegenseitig dabei zu helfen, erwachsen zu werden«. Doch auf einmal war nichts mehr von Gemeinsamkeit da. Dem Tonfall nach, den sie jetzt in ihren Streitgesprächen anstimmten, waren sie offenbar beide erwachsen geworden. Das gemeinsame Ziel war erreicht. So, als ob man nach ein paar Wochen gemeinsamer Schiffsreise über den Atlantik ankommt und am Festland am liebsten allein weitergehen möchte. Dann kamen einige widersprüchliche Jahre, und er habe sie einfach zu locker gehalten, meinte sie einerseits,
deshalb habe sie sich Liebhaber gesucht. Er habe von ihr ein paradoxes Verhalten erwartet: Er war gewohnt, dass sie unauffällig die Führung in der Beziehung innehatte, andererseits, so schilderte sie mir, »wenn ich mich nicht nach seinen Vorstellungen benahm, so sprach er von Scheidung«.
    Doch was wahrscheinlich am gravierendsten war: Die einst so schöne, zehn Jahre währende Erotik zwischen beiden war gestorben. Nichts mehr. Bei beiden nicht. Zumindest miteinander nicht.
    Nach und nach kam heraus, dass sie die ganze Ehe lang in einer Art Trance gelebt hatte. Eine Erlösung, um von zuhause wegzukommen, wo sie bis zum 25. Lebensjahr gelebt hatte. Sie hatte stets versucht, durch Leistung wettzumachen, dass sie nicht so hübsch war. Ihr Mann aber liebte sie genau so, wie sie war. Die gegenseitig erfüllende Sexualität verlieh ihr Selbstbewusstsein und Lebensfreude. Jetzt verband sie Erwachsenwerden mit Resignation.
    Inzwischen ist sie seit fünf Jahren geschieden und hat sich eigentlich fünf Jahre verkrochen. Zunächst mit Tabletten, die ihr der Arzt verschrieben hatte, dann immer wieder mit Alkohol. Aber das zumindest hatte sie inzwischen ziemlich gut im Griff. Sie musste irgendeinen neuen Weg finden. Theoretisch war ihr ganz klar, dass sie nur eine Chance hatte, und zwar wenn sie anfing, Erfahrungen als eigenständiger Mensch zu sammeln. Die aktuellen Lernziele für ihre Therapie sahen jetzt folgendermaßen aus:
Nicht mit jedem Mann, der sich für sie interessierte, gleich intim zu werden.
Die Kränkung zu verarbeiten, dass auch für sie dieselben Spielregeln galten wie für jeden Menschen, der erwachsen werden will.

Wege zu finden, um Bekanntschaften und Freundschaften ohne Intimität zu pflegen und als erstes Kontakte mit Frauen zu pflegen.
    Es dauerte acht Monate, dann hatten sich ihre Knoten gelöst. Sie löste sich von ihrer

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