Paarweise
Ganze als bildendes und bereicherndes Spiel.
Schließlich hatten sie die Idee, abwechselnd den advocatus diaboli zu spielen, um bei bestimmten Themen das Gegenteil argumentativ zu vertreten.
An einem Sonntag ging es darum, ausgehend von den Buchstaben des Wortes »Ziel« wichtige Partnerschaftsthemen zu finden, über die sie sich im Klaren sein wollten, für die sie gemeinsame Ziele setzen wollten. Sie stießen auf folgende Begriffe: Z wie Zeit, I wie Individuation, E wie Erfolg und L wie Liebe.
Beim Thema Zeit redeten sie darüber, wie sie mit ihrer Lebenszeit umgehen könnten, wofür sie Zeit verwenden, wofür sie sich – jeweils getrennt und gemeinsam – mehr Zeit nehmen wollten. Es ging um die Begrenzung der Zeit und darum, dass sie ein Gut war, über das der Mensch frei bestimmen kann. Anschließend beschäftigten sie sich mit dem Begriff von C. G. Jung, der Individuation. Beim Begriff »Erfolg« fragten sie sich: Wann sehen wir unsere Beziehung als gelungen an? Ging es bei den ersten drei Begriffen eher um logische, rationale und machbare Ziele, so kamen sie beim L zu dem Schluss: Die Liebe ist verwandt mit dem Glück. Sie muss gelockt werden. Sie überkommt einen, sie schenkt sich uns, wenn wir uns ihr würdig erweisen (ein Gedanke von Kant), und zwar erst dann, wenn es passt, wenn es geschehen soll, wenn es gut ist für beide.
So entstand eine bereichernde Kommunikation, die durch das feste Ritual des gemeinsamen Gesprächsspaziergangs ständig lebendig gehalten wurde.
In diesem Zusammenhang kann man den wichtigen Satz aus der Gehirnforschung erinnern, der da heißt: »Use it or loose it.« (»Benutze es oder du verlierst es.«) Biologische Systeme
sind angelegt wie Muskeln: Wenn man sie nicht benutzt, atrophieren sie. Das kennt jeder, der einmal einen Gipsverband tragen musste.
Wenn wir also unsere sozialen kommunikativen Fähigkeiten einsetzen und praktisch trainieren, so bleiben sie uns erhalten. Deprivation aber lässt sie verkümmern.
Paare, die lieber zuhause reden, richten sich für die Pflege ihrer Kommunikation eine Gesprächsecke ein. Sie wählen dazu einen einladenden Platz, der möglichst oft zum Austausch genutzt wird – egal, ob das Paar die anstehende Woche durchsprechen will, sich etwas aus der Arbeit zu erzählen hat, ob ein Missverständnis zu klären oder gar ein Streitgespräch zu führen ist.
Idealerweise sitzt man sich in der Gesprächsecke nicht gegenüber, sondern über Eck und hat Stift und Papier in der Nähe. Will ein Partner etwas Wichtiges ansprechen und der andere hat keine Zeit oder Muße, vereinbart man einen Zeitpunkt, zu dem man sich in der Gesprächsecke einfindet. Stehen mehrere Themen an, werden Prioritäten gesetzt; man klärt mit dem anderen, wie wichtig jedem die einzelnen Themen sind und einigt sich schließlich auf eine Reihenfolge.
Ich-Botschaften und klare Ansagen
Fallbeispiel: »Du« denken und »Ich« sagen
Es war eines dieser »man«-Paare: Wenn sie nicht »man« sagten, gingen sie mit ihren Formulierungen ins Passiv. Von beiden Seiten hörte ich mir angstgespeiste, klagende, vorwurfsvolle, unpersönliche Null-Aussagen an:
»Man kann ja sagen, was man will, es wird nie gemacht wie vorher vereinbart; oder es wird sogar genau das Gegenteil getan.« »Ich habe mir inzwischen schon abgewöhnt, etwas zu sagen, weil ich mir dann den Frust erspare, an eine Wand geredet zu haben und dann auch noch das miese Gefühl haben zu müssen, nicht ernst genommen zu werden.«
Ich durfte Zeuge sein, wie beide Partner versiert dieses lang antrainierte Spiel praktizierten: Sie fühlten, dachten und glaubten sich als Opfer des kommunikativen Misslingens. Doch anstatt ihre persönliche Betroffenheit auszudrücken, sagten beide nur »Du«. Der andere wurde zur Anlaufadresse für Schuldzuweisungen. Der andere sollte anfangen, etwas zu ändern. »Man« hat ihm ja schließlich gesagt, was einem aufgefallen war, was einen störte. Auf dem anderen ruhte die Hoffnung auf das Gelingen der Kommunikation, im Sinne von Verständnis, Übereinstimmung, Zustimmung und Überzeugung.
Der Begriff »Null-Aussagen« bezieht sich hier nicht auf die semantische Ebene, sondern auf den impliziten Persönlichkeitsanteil, das Unterbewusstsein beider, das jeweils nicht hinhört. Dem Unterbewusstsein ist es egal, was »man« macht oder »was gemacht wird«. Wenn es aber hört: »Ich bitte dich,
mich hier zu schonen« oder »Ich habe mich unglaublich gefreut über …«, dann fühlt sich
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