Paarweise
das eigene Unterbewusstsein, so wie das des Gegenübers, direkt angesprochen und kann mit dieser bekennenden Aussage etwas anfangen. Ähnlich wie ein handschriftlich verfasster Brief vermittelt, dass der Schreiber wirklich persönliche Dinge mitteilt, auf die eigene Überzeugungskraft setzt und – untermauert durch die Schriftlichkeit – zu seinen Aussagen steht.
Für die Paarkommunikation empfiehlt die Psychologie eine proaktive Kombination aus Inhalt und Form: die Ich-Botschaften. In Ich-Botschaften trifft der Sprecher Äußerungen über sich selbst. Es gilt also, eine Positionsbestimmung zu artikulieren, und zwar so, dass das Gegenüber wirklich erfahren kann, was man selbst denkt oder fühlt.
In Ich-Botschaften zu sprechen, bedeutet zweierlei.
Erstens: Ich sehe, denke, fühle, empfinde, befürchte, erhoffe etc. etwas aus meinem einmaligen subjektiven Blickwinkel heraus. Ein Widerspruch, ein »Das stimmt nicht« hat damit keinerlei Chance. Denn in seiner Subjektivität ist jeder Mensch eine unumstößliche Autorität: Ob es mir schmeckt oder nicht, ob mir etwas gefällt oder nicht, ob ich das jetzt will oder nicht – das weiß nur ich und sonst niemand.
Beispiele
So beginnen Ich-Botschaften:
Ich wünsche mir …
Ich sehe bei dir …
Ich wundere mich …
Ich bitte dich …
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich feststelle, …
Zweitens greife ich bewusst zur Ich-Äußerung, wenn ich den anderen nicht bedrängen will. Befehle, Kritik oder Aufforderungen kommen in einer Ich-Botschaft nicht zum Ausdruck. Zumindest nicht in einer fairen und aufrichtigen Kommunikation. Ich-Botschaften beinhalten vielmehr Bitten, Anregungen, Wünsche, Vorschläge, Ideen, eine Erkenntnis und Ähnliches. Wünscht sich hingegen jemand explizit eine Verhaltensänderung beim anderen, drückt er dies in einer Du-Botschaft aus. Formulierungen wie »Du sollst endlich …«, »Du musst einfach mal …« oder »Du bist immer so …« enthalten eine Aufforderung zum Anderssein. Je nach Kontext mag dies den Gesprächspartner erst einmal stutzen lassen: Handelt es sich hier um eine Kritik, um einen Befehl oder eine Zurechtweisung? Mit der möglichen Folge, dass er »zumacht«, fühlt er sich doch in seiner Autonomie eingeschränkt, ja möglicherweise sogar gekränkt oder gegängelt.
Beispiel
Ein Paar radelt durch Schwabing. An einer bestimmten Stelle sagt sie: »Hier war ich noch nie«, und hört als Antwort: »Doch.«
Nun wird es spannend. Denn er mag meinen, er selbst war doch schon da. Oder er meint fälschlicherweise, sie wäre auch schon dagewesen. Oder er erinnert sich besser als sie bzw. nimmt an, dass sie sich täuscht und doch bereits dagewesen ist. Nur durch einen Austausch miteinander werden beide zur Lösung gelangen – oder aber beide Erinnerungen gelten lassen, auch wenn sie verschieden sind (»let’s agree to disagree«).
Doch zurück zu dem Paar von oben. Nach einer Weile des faszinierten Zuhörens kam ich mit einer Intervention, die bereits als Erlösung aus diesem Teufelskreis erwartet wurde. Denn das Hin und Her war für beide ermüdend und natürlich nicht zielführend, eher eine Art verschworene Vermeidungsschleife, um bloß nicht zu tieferen Schichten der Selbsterkenntnis vorzudringen.
Ich hatte jedoch ein intelligentes Paar vor mir. Intelligenz ist zwar beileibe kein Garant für Neurosefreiheit, persönliche Reife oder Partnerschaftsfähigkeit, wohl aber für logische Einsichtsfähigkeit und Lernfähigkeit, wenn die Bereitschaft dazu vorhanden ist. So konnte ich vermitteln, dass durch eine simple Umkehrung von »Ich« denken und »Du« sagen in »Du« denken und »Ich« sagen eine entscheidende Veränderung eintreten könnte.
Als Hausaufgabe bat ich das Paar, sich an verschiedene Gesprächsregeln zu halten.
Beim nächsten Termin waren beide deutlich entspannter. Beinahe verschmitzt berichteten sie darüber, wie sie sich gegenseitig immer wieder erinnert hatten, die neuen Gesprächsregeln auch einzuhalten und wie angenehm sie die Wirkung empfanden. Kein Angriff mehr, nicht mehr das Gefühl, sich verteidigen, die Kränkungen wegstecken oder zurückschlagen zu müssen. Überhaupt kein »Müssen« mehr. Dafür war jetzt Raum für »Können« und »Dürfen«, für Ausprobieren, Wagen, eine Aussprache dessen, was einen im Augenblick am meisten bewegt, um dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erfahren, denn beides bereichert. Wir hatten gemeinsam einen zentralen Knoten gelöst.
In Ich-Botschaften
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