Paarweise
in vielen Partnerschaften Realität.
Fallbeispiel: Den Teufel an die Wand malen
Die Frau eines Paares in meiner Praxis hatte Angst, verlassen zu werden und im Alter allein zu sein. In einer Einzelstunde erzählte mir ihr Partner, dass er ständig Sätze hörte, die sich um »verlassen«, »Freundin haben«, »fremdgehen«, »im Stich lassen«, »weggehen«, »Jüngere nehmen«, »betrügen«, »Scheidung« usw. drehten. Er übte einen Beruf aus, in dem er viel Zeit allein im Auto verbrachte. Während dieser Fahrten, berichtete er, hallten diese Reizworte in seinem Kopf regelrecht nach, als ob sie ihn programmieren wollten. Und er fing tatsächlich an, über Fremdgehen nachzudenken. Gerade noch rechtzeitig konnte ich seiner Frau vermitteln, dass sie durch ihr Verhalten hier eine klassische selbsterfüllende Prophezeiung inszenierte. Sie malte den »Teufel an die Wand«, dem dann nur noch der Odem der Gelegenheit eingehaucht zu werden brauchte.
Ihre »Hausaufgabe« bestand aus der Fortführung einer Liste mit Power Words, deren Anfang ich beiden mitgegeben hatte. Es sollte darum gehen, ihren Wortschatz zu »entrümpeln«.
Beispielsweise das Wort »schlimm« zu streichen bzw. auszutauschen. So sollten beide Partner darauf achten, etwaige Irritationen, die früher reflexhaft als »schlimm« tituliert wurden, zukünftig durch ein angemesseneres Wort zu ersetzen, z. B. durch »lästig« oder »mühsam«. Natürlich sollte dies nicht bedeuten, dass das Wort »schlimm« nicht mehr verwendet werden durfte, wenn es wirklich angemessen erschien, etwa bei tragischen Ereignissen.
Ähnlich sollte das Paar das Wort »Problem« möglichst ersetzen durch Wörter wie »Thema«, »Herausforderung«, »Punkt« oder »Anliegen«.
Das Paar brachte sehr erstaunliche Alternativen für die negativen Begriffe mit. Und sie merkten beide rasch, wie stark sowohl die eigene Stimmung als auch die Stimmung zwischen beiden besser und die Kommunikation spielerischer wurde. Jetzt war die Grundlage und Bereitschaft geschaffen, ihre Verlustängste auf eine konstruktive Weise anzugehen. Er erkannte, wie tief sie seiner Sicherheit bedurfte. Sie wiederum arbeitete daran, ihre Bedürftigkeit in Bedürfnisse umzuwandeln.
Wer auf einen konstruktiven Kommunikationsstil bedacht ist, sollte auch für eine »Grünstiftkultur« eintreten. Diese bezeichnet einen Feedback-Stil, der in der betriebswirtschaftlichen Führungspsychologie und Führungspraxis längst angekommen ist. Hier spricht man von positivem Verstärken bzw. indirektem Motivieren.
Davon sind die heutigen Lebensmuster im Alltag (und speziell auch in der Schule) noch mindestens zwei große Entwicklungsschritte
entfernt: »Mangel an Tadel ist Lob genug«, wie es im alten Preußen hieß, wird zwar nicht mehr direkt praktiziert, ist aber dennoch in vielen Köpfen noch als Maßstab präsent. Und so gehen die Menschen miteinander um: Regeln und Erwartungen erfüllen ist selbstverständlich, Abweichungen werden kritisiert, beklagt, bestraft. Optisch sichtbar ist diese Rotstiftkultur am besten bei Schulaufgaben: Jedes Abweichen wird mit Rotstift bestraft.
Im Zuge einer zeitgemäßen, psychologisch geführten Schule ist denkbar, dass man dem Lehrer einen Grünstift in die Hand drückt und ihn anweist, ab jetzt nur noch die guten, herausragenden oder lobenswerten Leistungen des Schülers zu markieren. Das würde in meinen Augen viele junge Menschen beflügeln. So wie in einer guten Mitarbeiterführung und Gesprächskultur: Man ignoriert das Misslungene (was dem Betroffenen meist selbst bewusst ist) und betont bewusst das Gelungene, Lobenswerte.
Das ist aber nur der eine Schritt in die richtige Richtung, der zweite ist eine zeitgemäße Form des Motivierens. Der Schritt beginnt mit dem Abschiednehmen vom althergebrachten Motivieren. Dem Ende von Dressur, dem Ende von Lob und Tadel. Er respektiert den Menschen in seiner Grundhaltung und Motivation (Reaktanz).
Reaktanz steht für das im Menschen verankerte Programm, wonach er etwas lieber macht, wenn er denkt, es freiwillig zu tun. Die Motivationspsychologie hat bereits vor Jahrzehnten erkannt, dass der Mensch durch mehr Geld oder Anerkennung nicht mehr leisten wird. Die andere Motivation (intrinsische im Gegensatz zur extrinsischen) aber, wie wir sie von allen freiwilligen
Aktivitäten her kennen, mobilisiert die Leidenschaft, die für Spitzenleistungen nötig ist. Die Wissenschaft spricht von Positiver Reziprozität. Es geht darum, bewusst eine
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