Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
wie ein verkaterter Typ, der zur Arbeit geht. Aber nur kurz.
Petra fegt einige Fischtaco- und Burger-Schachteln vom Sitz, nimmt ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, wischt über das Polster und setzt sich vorsichtig hin, wobei sie überlegt, wann sie wohl das nächste Mal Gelegenheit haben wird, ihre Sachen in die Reinigung zu bringen.
»Observationen«, sagt Boone.
Petra sieht hinter sich. »Das ist ein Schweinestall auf Rädern.«
»Schweinestall« ist ein bisschen übertrieben, denkt Boone. »Willkürlich geordnet« ist ihm lieber.
In dem Bus befinden sich Koffer für North-Shore-Boards, ein paar Sweatshirts, ein Dutzend leere Kaffeebecher von verschiedenen Fast-Food-Ketten, ein paar Taucherflossen, eine Tauchermaske mit Schnorchel, eine Sammlung vonSandalen und Flipflops, mehrere karierte Baumwollhemden, eine Decke, eine Hummerreuse, ein Deostick, mehrere Flaschen Sonnenmilch, ein Sixpack mit leeren Bierflaschen, ein Schlafsack, ein Reifenkreuz, ein Vorschlaghammer, eine Brechstange, ein Baseballschläger aus Alu, ein Stapel CDs (Common, Switchfoot und die Ka’au Crater Boys), mehrere Dosen Surfwachs und eine zerfledderte Taschenbuchausgabe von Schuld und Sühne.
»Zweifellos waren Sie der Ansicht, es handele sich um einen Sadomasoroman«, sagt Petra.
»Hab’s auf dem College gelesen.«
»Sie haben ein College besucht?«
»Fast ein ganzes Semester lang.«
Was gelogen ist.
Boone hat an der San Diego State University seinen Bachelor in Kriminologie gemacht, aber er lässt sie glauben, was sie glauben will. Er teilt ihr nicht mit, dass seine Vorstellung von Glück, wenn er am Ende eines surfend verbrachten Tages angenehm erschöpft nach Hause kommt (wo er keinen Fernsehapparat hat), darin besteht, sich vom Rauschen der Brandung begleitet mit einer Tasse Kaffee hinzusetzen und zu lesen.
So etwas behält man für sich. Man posaunt es nicht vor der Dawn Patrol oder sonst jemandem aus der südkalifornischen Surfergemeinde heraus. Dort gelten allzu unverstellte Anzeichen von Intellektualität als schwerwiegender sozialer Fauxpas, wobei sich keiner der Betroffenen dazu bekennen würde, den Begriff Fauxpas oder sonst ein französisches Wort überhaupt zu verstehen. Schon okay, wenn man sich mit so Zeugs auskennt, aber reden sollte man nicht darüber. Genau genommen wäre es weniger peinlich, wenn jemand einen Schmuddelporno statt Dostojewski hinten im Bus finden würde. Johnny Banzai oder Dave the Love God würden ihn bis in alle Ewigkeit verarschen, obwohl Booneweiß, dass zumindest Johnny mindestens so belesen ist wie er und Dave über ein fast schon enzyklopädisches und sehr ausgereiftes Wissen über frühe Westernfilme verfügt.
Aber Boone denkt: Gönne ich der britischen Schnecke doch ihre Klischees.
Apropos –
»Ist dies tatsächlich Ihr Fahrzeug«, fragt Petra, »oder der Hauptwohnsitz einer Amphibienfamilie mit hygienischem Handicap?«
»Lassen Sie das Boonemobil in Frieden«, sagt Boone. »Eines Tages sind Sie vielleicht selbst einmal alt, verrostet und müssen frisch verspachtelt werden.«
Obwohl er es bezweifelte.
»Sie haben Ihrem Wagen einen Namen gegeben?«, fragt Petra.
»Das war Johnny Banzai«, sagt Boone und kommt sich dabei genauso teenagermäßig vor, wie er klingt.
»Sie sind nicht nur in Ihrer Entwicklung zurückgeblieben«, sagt Petra. »Ihre Entwicklung wurde zurückgedreht, bevor sie stehen blieb.«
»Raus hier.«
»Nein, ich mein’s ernst.«
»Ich auch«, sagt Boone. »Raus.«
Sie schaltet auf stur. »Ich komme mit.«
»Nein, tun Sie nicht«, sagt Boone.
»Warum nicht?«
Darauf hat er keine gute Antwort parat. Sie ist immerhin die Klientin, und die Suche nach einer abtrünnigen Stripperin ist nicht unbedingt gefährlich. Ihm fällt nichts Besseres ein als: »Steigen Sie einfach aus, okay?«
»Sie können mich nicht zwingen«, sagt Petra.
Boone hat das Gefühl, sie habe das schon oft gesagt und immer recht behalten. Er funkelt sie an.
»Ich habe Pfefferspray in der Tasche«, sagt sie.
»Pete, Sie brauchen doch kein Pfefferspray«, entgegnetBoone. »Wenn ein Kerl Sie überfällt? Reden Sie einfach eine Minute lang auf ihn ein, und er bringt sich selbst um die Ecke.«
»Vielleicht sollten wir meinen Wagen nehmen«, sagt Petra.
»Darf ich Sie etwas fragen, Pete?«, fragt Boone. »Haben Sie einen Freund?«
»Ich sehe nicht, inwiefern das …«
»Beantworten Sie einfach nur die Frage«, sagt Boone.
»Es gibt da jemanden, ja.«
»Ist er häufig, sagen wir mal,
Weitere Kostenlose Bücher