Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
ihn beschatten, ohne dass er uns bemerkt?«, fragt Petra.
»Beschatten? Haben Sie das aus einem Film?«
»Können Sie’s oder nicht?«
»Wenn ich’s nicht verkacke«, sagt Boone.
»Gut, dann verkacken Sie’s nicht.«
»Okay. Danke.«
Was Verfolgungsjagden angeht, gehört diese eher zu den gemäßigten. Während sie Teddy über die Prospect Avenue und anschließend die Torrey Pines Road in nördlicher Richtung verfolgen, stockt der Verkehr andauernd, und sie müssen permanent an Ampeln halten. Teddy biegt links auf die La Jolla Shores Road ein, und sie fahren Teddy entlang des Strandes hinterher, dann den steilen Hügel hinauf auf den Campus der University of California, Standort San Diego, wo sie sich über schmale, gewundene Straßen an Seminargebäuden, Wohnheimen und Studentenwohnungen vorbeischlängeln.
Boone lässt sich ein paar Autos weit zurückfallen und verfolgt Teddy bis Torrey Pines, am Salk Institute und dem Gebäudekomplex für medizinische Forschung vorbei, der die Gegend hier dominiert. Dann durch das Torrey Pines Reservat, auf den Hügel hinauf, von wo aus man ganz plötzlich einen großartigen Blick auf den Ozean hat: von Torrey Pines Beach bis ganz rüber zu den Felsklippen bei Del Mar.
45
Der U.S. Highway 101.
Pacific Coast Highway. PCH.
Boulevard der unversehrten Träume.
Yellow Brick Road.
Von Kanada bis Los Angeles immer entlang der Pazifikküste.
Auf der Route 66 kriegt man vielleicht seine Kicks, aber mehr Spaß hat man auf dem Highway 101. Auf der 66 findet man Amerika, aber dem amerikanischen Traum kommt man erst auf dem PCH näher. 66 ist der Weg, 101 ist das Ziel. Man fährt auf der Route 66 und kommt zum Highway 101. Das Ende der Straße und der Beginn der Reise.
Damals, in der guten alten Damalszeit, kutschierten die ersten Surfer ihre schweren Holzbretter noch über einen praktisch komplett freien Highway die Küste rauf und runter. Sie hatten die Straße mehr oder weniger für sich – eine kleine umherstreunende Bande von George-Freeth-Jüngern auf der Suche nach der gelobten Welle. Und sie fanden sie, sie brach überall entlang des 101. Sie mussten nur von der Straße abfahren und an den Strand. Und genau das taten sie, von Ocean Beach bis Santa Cruz.
Dann kam der zweite Weltkrieg, und Amerika entdeckte die kalifornische Küste. Hunderttausende Soldaten, Matrosen und Marinesoldaten wurden vor ihrer Verschickung in den Pazifik in San Diego und Los Angeles stationiert, und als sie zurückkamen, sofern sie zurückkamen, ließen sich viele dort nieder, wo die Sonne schien und das Leben Spaß machte. Wie sollten sie es je wieder auf einer Farm aushalten, nachdem sie Laguna gesehen hatten?
Während sich ihre Altersgenossen wieder in die amerikanische Gesellschaft eingliederten, indem sie Vorstädte schufen und Angepasstheit zu ihrer Religion erhoben, wollten diese Jungs all das hinter sich lassen.
Sie wollten den Strand.
Sie wollten surfen.
Es war die Geburtsstunde des Surferfreaks und der Vorstellung, dass Surfen nicht nur eine eigene Kultur, sondern eine Gegen kultur ist. Zum ersten Mal empfanden die Surfer ihre Lebensart als Widerspruch zur vorherrschenden Kultur. Keine geregelten Arbeitszeiten, keine grauen Flanellanzüge, keine Rastersiedlungen, kein trautes Heim mit zwei Kindern, manikürtem Rasen und Schaukeln neben der Einfahrt. Surfen bedeutete Freiheit von alldem. Surfen war Sonne, Sand und Wasser; außerdem Bier und vielleicht ein bisschen Gras. Zeitlose Zeit, denn das Surfen gehorcht dem Rhythmus der Natur, nicht der Stechuhr.
Damals war es die Antithese zum amerikanischen Mainstream, und am Highway 101 entstanden kleine Surfergemeinden – »Kolonien« oder »Kommunen«, wenn man eine solche Bezeichnung braucht.
Viele dieser Surfer waren Beats , Mann – die Beatniks von Südkalifornien. Anstatt auf den Straßen von San Francisco und in North-Beach-Cafés bei Dichterlesungen rumzuhängen, trugen sie ihre Bongos an den Strand und fanden ihr Dharma auf einer Welle. Diese Jungs hatten auf den Schlachtfeldern und in den ausgebombten Städten Europas und Asiens die »Zivilisation« gesehen, und sie hatte ihnen nicht gefallen. Deshalb waren sie nach Pacific Beach, San Onofre, Doheny und Malibu gekommen, um sich ihre eigene Kultur aufzubauen. Sie zelteten am Strand, sammelten Dosen, um sich Essen kaufen zu können, das sie unter freiem Himmel auf den Grill warfen, sie spielten Gitarre und Ukulele, tranken Bier und Wein, vögelten Strandhäschen und
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