Pacific Private - Winslow, D: Pacific Private
surften.
Die kleinen Surferstädte, die sich wie Perlen an einer Schnur am 101 aneinanderreihten, wuchsen rasch. Imbisswagen verkauften Surfern, denen das große Geld fehlte und die es eilig hatten, wieder ins Wasser und auf die nächsteWelle zu kommen, billige Burger und Tacos. In den Strandbars wurden Männer in Sandalen und nassen Badehosen bedient, damals galt in diesen Läden: Kein Hemd, keine Schuhe, kein Problem . In den Kinos jener Kleinstädte an der 101 wurden die ersten primitiven Surferfilme vor ausverkauften Häusern gezeigt, Party im Anschluss.
Die Surfer bewegten sich völlig außerhalb des amerikanischen Mainstream und waren gleichzeitig in ihrem Technikglauben extrem amerikanisch, und unter ihnen gab es so viele findige Tom Edisons und Gebrüder Wrights wie im Rest der Landes, so dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie bessere Surfbretter entwickelten. Sie griffen auf die Technologie zurück, die der Zweite Weltkrieg hervorgebracht hatte – Aerodynamik, Hydraulik und vor allem neue Materialien, die den Sport überhaupt erst richtig zum Leben erwecken und revolutionieren sollten. Als Bob Simmons in La Jolla und Hobie Alter in Dana Point das erste praktische, leichte Board aus einem neuen Material, Polyurethan, erfanden, konnte plötzlich jeder surfen. Mit Hartschaumbrettern musste man kein griechischer Gott sein wie George Freeth. Jetzt konnte jeder ein Board zum Strand und ins Wasser tragen.
Und mit diesen leichten Boards ließen sich Manöver reiten, die mit den schweren alten Holzbrettern noch unmöglich waren. Anstatt steil über die Vorderseite der Welle zu reiten, konnte der Surfer jetzt quer über die Vorderseite die Richtung wechseln und noch mal zurück …
Das war in den fünfziger Jahren, dem goldenen Zeitalter des Surfens, und es passierte entlang des Highway 101.
So viele verdammte Legenden trotzten da draußen den Wellen, testeten ihre Grenzen aus, schipperten mit ihren klassischen Woodies, den holzverkleideten Kombis, über den Highway, immer auf der Suche nach dem nächsten großen Wellenbrecher, nach dem aufregenden nächsten Ritt,dem geheimen Spot, den die Anfänger noch nicht gefunden hatten. Miki Dora alias »Da Cat«, Greg Noll alias »Da Bull«, Phil Edwards alias »Guayule Kid« – sie alle ritten Wellen, die niemand vor ihnen geritten hatte, und auf eine Art, wie sie nie zuvor geritten worden waren. Edwards war fünfzehn, fünfzehn verfickte Jahre alt , als er zu der Welle rauspaddelte, die allgemein als Killer Dana bekannt war, und sie ritt. Danach verbrachte er den kompletten Restsommer mit seiner Freundin am Strand und grillte Kartoffeln am offenen Feuer.
Leben, um zu surfen. Surfen, um zu leben.
Am Highway 101.
Damals muss es himmlisch gewesen sein, denkt Boone, als die Straße plötzlich wie eine Wasserrutsche Richtung Ozean kippt, als wollte sie einen direkt ins Wasser schubsen, doch in letzter Sekunde knickt sie nach rechts ab und schmiegt sich an die Küstenlinie. Das Paradies, denkt Boone – lange, einsame Strandabschnitte und Legenden, die über das Wasser laufen. Er kennt sich aus in der Surfergeschichte, ist vertraut mit den Geschichten von Da Cat, Da Bull, dem Guayule Kid und Dutzenden anderen. Man kann unmöglich ein echter Surfer sein und die Geschichten nicht kennen. Man kann die Geschichten unmöglich nicht vor Augen haben, wenn man diese Straße entlangfährt, denn man ist von Geschichten umgeben.
Man fährt an Hobie Alters erstem Laden und direkt an dem Break vorbei, wo ’54 Bob Simons in einer Welle ums Leben kam, vorbei an San O, wo Dora und Edwards ein Paar wurden, ihre Stile miteinander kombinierten und das moderne Surfen erfanden.
Damals, im goldenen Zeitalter.
Wie alle goldenen Zeitalter, denkt Boone, während er wieder nach rechts lenkt, die Eisenbahnschienen überquert und die Steigung zu dem berühmten alten Strandort Del Mar hinauffährt, musste es irgendwann zu Ende gehen.
Diesem goldenen Zeitalter machte der eigene Erfolg den Garaus.
Als nämlich die Kultur des Highway 101 zur amerikanischen Kultur wurde.
1959 kam Gidget in die Kinos und schuf ein neues Sexsymbol – das California Girl . Jugendlich frisch, braungebrannt, im Bikini, keck, gesund und glücklich, Gidget (»It’s a girl« – »No, it’s a midget« – »It’s a gidget «) wurde zur Identifikationsfigur für Mädchen im ganzen Land. In Kansas und Nebraska wollten sie wie Gidget sein, Bikinis tragen und über die Hauptstraßen der 101-Strandorte
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