Packeis
unterschätzen sollte.
Von wegen leichtes Spiel, dachte er.
39
Die Trouts hatten in einem Strandhotel oberhalb des Hafens ein Zimmer mit Balkon gemietet, von dem aus sie einen ungehinderten Blick auf die fernen Dockanlagen hatten. Seit ihrer Ankunft in Rio hatten sie abwechselnd auf dem Balkon gesessen und die Transmitter-Schiffe beobachtet.
Trout brachte Gamay ein Glas kalten Orangensaft, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben sie. »Passiert was?«
Gamay blickte durchs Fernglas und betrachtete einen langen Kai auf der anderen Seite des Hafens. »Seit wir hier angekommen sind, haben die Transmitter-Schiffe sich nicht einen Zentimeter vom Fleck bewegt.«
Trout lieh sich das Fernglas von ihr aus und inspizierte selbst die drei Schiffe, die nebeneinander vertäut am Kai lagen.
»Hast du bemerkt, dass der Passagierdampfer verschwunden ist?«
»Gestern war er noch da. Sie müssen heute Morgen schon ganz früh abgelegt haben. Noch ehe wir aufstanden.«
Gamay hatte sich gewundert, was ein Passagierschiff in einem Frachtschiffbereich zu suchen hatte. Sie hatten den Namen am Bug des Schiffs lesen können:
Polar Adventure
. Aber keiner von ihnen hatte eingehender über das Schiff nachgedacht. Viel mehr hatten sie sich für die drei Frachtschiffe interessiert, die die Namen
Polaris I, II
und
III
nach dem nördlichen Polarstern trugen.
»Ich denke, wir sollten uns das mal ein wenig genauer ansehen«, entschied Paul.
»Ganz meine Meinung. Von mir aus können wir sofort aufbrechen.«
Minuten später fuhren sie am Rand des Hafens entlang. Die Ferienhotels blieben nach und nach zurück, und die Umgebung, durch die sie fuhren, bekam einen zunehmend gewerblichen Charakter. Schließlich gelangten sie zu einer Ansammlung von Lagerhäusern, Schifffahrtsbüros und maritimen Verwaltungsgebäuden. Sie passierten mehrere Containerschiffe und schließlich auch den leeren Liegeplatz, der vorher von dem Passagierschiff besetzt worden war. In der Nähe der drei Frachtschiffe, die sie vom Hotel aus gesehen hatten, war ein Wachhaus aufgestellt worden.
Vor dem Haus stand ein stämmiger Wächter, der mit einer Pistole in einem Halfter und mit einem Gewehr bewaffnet war.
Er rauchte eine Zigarette und unterhielt sich mit einem Hafenarbeiter. Paul behielt die Geschwindigkeit des Wagens bei, um kein Aufsehen zu erregen. Jedoch fuhr er langsam genug, um Gamay Gelegenheit zu geben, sich von den Schiffen einen kurzen, aber gründlichen Eindruck zu verschaffen.
»Siehst du noch weitere Wächter?«, fragte Trout.
»Nur diesen einen. Am Bord könnten weitere sein.«
»Vielleicht auch nicht. Sie wollen sicherlich kein Misstrauen wecken, indem sie hier zu viele Sicherheitsleute herumlaufen lassen. Das könnte für uns eine günstige Gelegenheit sein, uns einmal umzuschauen.«
»Ja, aber er hatte eine ziemlich große Kanone. Wie willst du an der vorbeikommen?«
Trout sah Gamay mit einem schiefen Grinsen an. »Ich dachte mir, dass eine schöne Frau für ein, hm, wenig Ablenkung sorgen könnte.«
»Da haben wir es wieder.
Cherchez la femme.
Der älteste Trick der Welt. Meinst du, er fällt auf eine solche List herein?«
»Du machst wohl Witze«, meinte Trout kichernd. »Wir haben es hier mit heißblütigen männlichen Latinos zu tun.«
»Unglücklicherweise«, seufzte Gamay, »dürftest du wieder mal Recht haben. Okay, ich ziehe meine Mata-Hari-Nummer ab, aber dann bezahlst du das Abendessen.«
Eine halbe Stunde später waren sie wieder in ihrem Hotelzimmer. Paul mixte zwei kalte Rumcocktails, und sie setzten sich auf den Balkon, nippten an ihren Gläsern und wechselten sich dabei ab, die Schiffe durchs Fernglas zu beobachten, bis die Sonne unterging.
Nach dem Abendessen, das sie vom Zimmerservice hatten heraufbringen lassen, duschte Gamay, besprühte sich reichlich mit Parfüm und schlüpfte in ein tief ausgeschnittenes rotes Kleid. In Rio wimmelte es von schönen Frauen, aber Gamay zog trotzdem die Blicke aller Männer im Hotelfoyer auf sich, als sie und Trout zum Ausgang gingen.
Der Charakter des Frachtdocks hatte sich grundlegend verändert. Die Lastwagen, Hafenarbeiter und Schauerleute hatten Feierabend gemacht, und auf dem gesamten Dockareal herrschte eine schmuddelige, drohende Atmosphäre. Wahllos verstreute Lampenmasten warfen gelbe Lichtkreise auf den Asphalt, die von Nebelschwaden, die vom Hafen herüberzogen, zerstreut wurden. In der Ferne erklang ein Nebelhorn.
Gamay fuhr an dem leeren Liegeplatz vorbei, den
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