Päpste pupsen nicht (German Edition)
man nicht. Es ist eine alte Villa mit hohen Schirmpinien und einem kleinen Sportplatz, wo die Jungs in jeder freien Minute vor sich hin bolzen und ansonsten die neuesten Angeberposen ausprobieren.
Nur heute nicht. Heute saßen sie in düsterer Stimmung auf der kleinen Mauer vor der Schule und wirkten, als hätte jemand ihre Kickerstiefel gegen Ballettschuhe ausgetauscht. Vor ihnen lag der »Romanista«, die einzige Tageszeitung der Welt, in der nur Neuigkeiten über einen einzigen Fußballklub stehen.
»Ich nenne das Verrat«, sagte einer der Jungs. Es war Julian, ein Rothaariger, der seit Kurzem eine Justin-Bieber-Frisur versuchte. »Vielleicht haben sie ihm Geld geboten.«
»Zwei Eigentore in einem Spiel. Das ist krass. Aber Francesco ist kein Verräter. Außerdem hat er genug Geld. Das war, keine Ahnung, irgend so was wie Schlitzophilie. Nach dem Motto: Ich bin ein anderer.« Das war Micki. Eigentlich ganz süß mit seinen Locken und der Spange, aber eben ein Junge.
Jungs können niedlich sein, wenn sie alleine sind. Dann hören sie einem manchmal sogar zu oder sagen Sachen, die auf ein Minimum an Gehirnaktivität schließen lassen. Aber das sind kurze Momente. Ausnahmen. Gut, sie sind süß. Aber nie würde ich einen Jungen so lieben können wie ein Meerschweinchen. So, dass man traurig wird, wenn er nicht da ist, und es einem unterm Bauchnabel ganz weich wird. Mono hatte so einen warmen Blick, dass mir ganz flau wird, wenn ich jetzt daran denke. Das kriegt kein Junge hin.
»Mann, Micki, du bist auch schlitzo. Totti ist Totti und kein anderer.«
Die Schlagzeile des »Romanista« war heute ziemlich kurz. Sie bestand nur aus einem einzigen Zeichen:
»?«
Francesco Totti, der von allen echten Römern vergötterte Stürmer von Roma, der Heilige des Olympiastadions, Totti also hatte gestern wieder zwei Tore geschossen. Nur leider ins falsche Tor. Er hatte mitten im Spiel offenbar die Orientierung verloren und war wie eine Feuerwerksrakete aufs eigene Tor zugerast. Gleich zweimal, kurz hintereinander und kurz vorm Abpfiff. Roma verlor mit 0:2 gegen den Erzfeind Lazio. Die ganze Stadt stand unter Schock. Keiner verstand das, auch Totti nicht. Als der Superstar dann nach dem Spiel vor die Kameras gezerrt wurde, sagte er, er wisse auch nicht, was über ihn gekommen sei. Er hätte nur plötzlich gewusst, dass er nicht mehr Totti sein wollte. Der Reporter hatte ihn merkwürdig angestarrt und dann schnell ins Studio zurückgegeben.
»Ich sage euch nur: Das hat es noch nie gegeben. Ein Star, der seinen eigenen Klub in den Abgrund führt.«
Eloise flüsterte mir zu: »Ich wette, da waren ganz andere Stare im Spiel.«
Gut möglich. Inzwischen hielt ich alles für möglich. Das Olympiastadion hatte kein Dach, das wusste ich. Es war nach oben offen. Aber warum hatte dann nur Totti die Beherrschung verloren und nicht alle anderen Spieler auch? Diese Geschichte wurde immer rätselhafter.
Die ersten beiden Stunden hatten wir Mathe bei Herrn Anis. Zum Glück war Bruchrechnen vorbei, er fing an, Vierecke an die Tafel zu zeichnen und nannte das Geometrie. Früher hieß das Malen. Trapez, Drachen, Quadrat, Rechteck. Wozu muss man das Babyzeug wissen? Julian las seinen »Romanista« unter dem Pult, und Eloise zeichnete etwas, das wie eines von den platt gefahrenen Tieren auf der Straße aussah, aber wohl ein Hund sein sollte. Eloise liebte Hunde. Nur zeichnen konnte sie keinen. Dann dachte ich an den sonderbaren Dr. Gänsebein, der Katzen im Vatikan Chips einpflanzte, und wie schön es wäre, wenn Mono noch leben würde. Dann dachte ich gerade, wie merkwürdig es war, dass ein Priester wie Dienstbier kleinen Vögeln elektronische Chips einsetzen konnte, und ob er da nicht Hilfe gebraucht hatte und wer dieser Assistent war, von dem er geredet hatte, und dann –
Dann war ich dran und sollte die Mitte eines Trapezes bestimmen.
Nach der Pause sagte Frau Tiedemann, wir würden Bio heute draußen machen unter der Schirmpinie im Hof. Es sei super Wetter und außerdem die letzte Woche vor den Ferien. Frau Tiedemann ist unsere Klassenlehrerin in Bio und Deutsch, eine Schweizerin, die jeden Morgen mit ihrer orangen Vespa in die Schule knattert und früher mal Krebs hatte. Das hat sie uns erzählt. Alle Haare seien ihr ausgefallen. Sie hat rote Haare. Sie spricht ganz leise und an jenem Tag sprach sie noch etwas leiser, aber das machte nichts, denn wir hörten jedes Wort. Sie erzählte von sich, als wären wir auch Erwachsene, nur
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