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Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet

Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet

Titel: Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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ich spielen will, er sagt, dass ich Tartini spielen soll, die Violinsonate in G-Moll.«
    Sie verstummte, sah auf die Noten, folgte ihnen mit den Augen, zählte Sechzehntel und verinnerlichte komplizierte Legato-Stellen.
    »Aber ich bin mir nicht sicher, ich …«
    »Darf ich es hören?«, fragte Axel.
    »Es klingt furchtbar«, erwiderte sie und errötete.
    Sie spielte mit angespanntem Gesicht den letzten Satz. Das Stück war schön und traurig, aber gegen Ende, wo die höchsten Töne der Geige emporschießen müssen wie ein loderndes Feuer, wurde sie langsamer.
    »Mist«, flüsterte sie und nahm die Geige in Ruheposition unter ihren Arm. »Ich bin nicht mehr mitgekommen, ich habe wirklich gerackert wie eine Blöde, aber ich muss noch mehr Wert auf die Sechzehntel und die Triolen legen, die …«
    »Also mir hat dieses Schwanken gefallen, als würdest du einen großen Spiegel biegen, sodass …«
    »Ich habe falsch gespielt«, unterbrach sie ihn und errötete noch heftiger. »Entschuldige, ich weiß, du versuchst nur, nett zu sein, aber so geht das nicht, ich muss richtig spielen. Es ist doch verrückt, dass ich hier am Vorabend sitze und mich nicht entscheiden kann, ob ich das leichte nehmen oder auf das schwere Stück setzen soll.«
    »Du kannst doch beide, also …«
    »Nein, kann ich nicht, es wäre ein Wagnis«, entgegnete sie. »Aber gib mir ein paar Stunden, drei Stunden, dann traue ich mich vielleicht, morgen auf Tartini zu setzen.«
    »Du kannst das doch nicht nur tun, weil dein Vater findet, dass …«
    »Aber er hat ja recht.«
    »Nein«, widersprach Axel und rollte langsam einen Joint.
    »Ich kann das Leichtere«, fuhr sie fort, »aber das reicht möglicherweise nicht, es kommt ganz darauf an, für was ihr zwei, du und der japanische Junge, euch entscheidet.«
    »So kann man nicht denken.«
    »Wie soll man denn dann denken? Ich habe dich nicht ein einziges Mal üben sehen. Was wirst du spielen – hast du dich überhaupt schon entschieden?«
    »Ravel«, antwortete er.
    »Ravel? Ohne zu üben?«
    Sie lachte.
    »Im Ernst?«, fragte sie.
    »Ravels ›Tzigane‹ – und nichts anderes.«
    »Axel, entschuldige, aber das ist eine völlig irrsinnige Wahl, das weißt du, das Stück ist zu kompliziert, zu schnell, zu übermütig und …«
    »Ich will es wie Perlman spielen, aber ohne Hast … denn eigentlich ist es gar nicht schnell.«
    »Axel, es ist schrecklich schnell«, sagte sie und lächelte.
    »Ja, für den Hasen, der gejagt wird … aber dem Wolf geht es zu langsam.«
    Sie warf ihm einen müden Blick zu.
    »Wo hast du denn das gelesen?«
    »Das soll Paganini gesagt haben.«
    »So so, dann muss ich mir also nur noch Sorgen wegen meines japanischen Kontrahenten machen«, erklärte sie und legte die Geige an die Schulter. »Du übst nicht, Axel, du kannst Ravels ›Tzigane‹ nicht spielen.«
    »Es ist gar nicht so schwer, wie alle sagen«, sagte er und zündete seinen Joint an.
    »Nein«, sagte sie lächelnd und begann wieder zu spielen.
    Dann unterbrach sie ihr Spiel und sah ihn mit ernster Miene an.
    »Du willst Ravel spielen?«
    »Ja.«
    Sie wurde ernst.
    »Hast du mich angelogen? Übst du das Stück seit vier Jahren, oder was ist hier los?«
    »Ich habe mich eben erst entschieden – als du gefragt hast.«
    »Wie kannst du nur so dumm sein?«, sagte sie.
    »Es ist mir egal, ob ich den letzten Platz belege«, sagte er und legte sich auf die Couch.
    »Mir ist es nicht egal«, erwiderte sie.
    »Ich weiß, aber es wird noch mehr Chancen geben.«
    »Nicht für mich.«
    Sie begann erneut, das schwere Stück von Tartini zu spielen, das jetzt besser lief, dennoch stoppte sie vorzeitig, spielte noch einmal die komplizierte Partie und danach noch einmal.
    Axel klatschte in die Hände, legte David Bowies »The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars« auf und führte den Tonarm über die LP . Er legte sich hin, schloss die Augen und sang den Song mit.
    »Ziggy really sang, screwed up eyes and screwed down hairdo. Like som cat from Japan, he could lick’em by smiling. He could leave’em to hang.«
    Greta zögerte, legte die Geige ab, ging zu ihm und nahm ihm den Joint aus der Hand. Sie rauchte ein paar Züge, hustete und gab ihn zurück.
    »Wie kann man nur so dumm sein wie du?«, fragte sie und strich ihm plötzlich über die Lippen.
    Sie beugte sich vor und versuchte, ihn auf den Mund zu küssen, der Kuss landete daneben, sie küsste ihn auf die Wange, flüsterte Entschuldigung und küsste ihn

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