Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
die Tür zu und schließt ab. Sekunden später beginnt die Hundeleine wieder zu sirren. Als sie zum Auto zurückkehren und einsteigen, hören sie hinter sich das aggressive Bellen des Schäferhunds.
Saga lässt den Motor an, schaltet und wendet. Joona zieht Schutzhandschuhe an, blättert in den Briefen, greift nach einem weißen handschriftlich adressierten Umschlag, öffnet ihn und zieht behutsam das Foto heraus, das mindestens zwei Menschen das Leben gekostet hat.
47
Die vierte Person
Saga Bauer fährt rechts heran. Das hohe Gras im Straßengraben schmiegt sich ans Fenster. Joona Linna sitzt vollkommen regungslos und betrachtet die Aufnahme.
Irgendetwas verdeckt den oberen Rand des Motivs, aber ansonsten ist das Bild gestochen scharf. Wahrscheinlich wurde das Foto heimlich gemacht.
Auf dem Foto sind vier Personen in der geräumigen Loge eines Konzertsaals zu sehen, drei Männer und eine Frau. Ihre Gesichter sind deutlich zu erkennen. Nur einer der Anwesenden hat sich vom Betrachter abgewandt, aber sein Gesicht ist nicht verdeckt.
In einem Sektkühler steht Champagner, und der Tisch ist so gedeckt, dass die vier essen, sich unterhalten und gleichzeitig der Musik lauschen können.
Joona erkennt sofort Carl Palmcrona, der ein schlankes Champagnerglas in der Hand hält, und Saga identifiziert zwei der drei anderen.
»Das hier ist Raphael Guidi, der Waffenhändler, der in dem Erpresserbrief erwähnt wurde«, erläutert sie und zeigt auf einen Mann mit schütterem Haar. »Und der hier, der etwas abgewandt steht, ist Pontus Salman, der Chef von Silencia Defence.«
»Waffen«, sagt Joona leise.
»Silencia Defence ist ein seriöses Unternehmen.«
Im Scheinwerferlicht auf der Bühne hinter den Männern in der privaten Loge sieht man ein Streichquartett, zwei Geigen,eine Bratsche und ein Cello. Die Musiker sind alle Männer. Sie sitzen in einem Halbkreis, einander zugewandt, mit ruhigen, lauschenden Gesichtern. Man kann nicht erkennen, ob ihre Lider gesenkt oder geschlossen sind, ob ihre Blicke auf den Noten ruhen oder ob die Musiker die Augen geschlossen haben, um den verschiedenen Stimmen zu lauschen.
»Wer ist die vierte Person, die Frau?«, fragt Joona.
»Ich komme gleich drauf«, antwortet Saga. »Ich kenne sie, aber … Verdammt …«
Saga verstummt, und ihr Blick verharrt auf dem Gesicht der Frau.
»Wir müssen herausfinden, wer sie ist«, sagt Joona.
»Ja.«
Saga lässt den Wagen an, und als sie auf die Straße fährt, fällt ihr die Antwort ein.
»Agathe al-Haji«, sagt sie schnell. »Sie ist die Sicherheitsberaterin von Präsident Umar al-Bashir.«
»Sudan«, sagt Joona.
»Ja.«
»Wie lange ist sie schon seine Beraterin?«, erkundigt sich Joona.
»Fünfzehn Jahre, vielleicht auch länger, ich erinnere mich nicht.«
»Und was soll nun so besonders an diesem Bild sein?«
»Keine Ahnung, nichts, ich meine … es ist nicht weiter seltsam, dass sich diese vier Leute treffen, um die Möglichkeiten für Geschäfte auszuloten«, erklärt Saga. »Im Gegenteil. Besprechungen dieser Art gehören dazu. Sie können ein erster Schritt sein. Man trifft sich, erzählt von seinen Plänen und bittet Carl Palmcrona möglicherweise um einen vorläufigen Bescheid.«
»Und ein positiver vorläufiger Bescheid bedeutet, dass die Kontrollbehörde höchstwahrscheinlich die endgültige Ausfuhrgenehmigung erteilen wird?«
»Genau, es ist zumindest ein Hinweis darauf.«
»Exportiert Schweden häufig Waffen in den Sudan?«, fragt Joona.
»Nein, das glaube ich nicht«, antwortet sie. »Wir werden mit jemandem sprechen müssen, der Spezialist für diese Region ist. Ich meine mich zu erinnern, dass China und Russland die größten Exporteure sind, aber das könnte sich auch geändert haben, denn im Sudan ist 2005 ein Friedensabkommen geschlossen worden, und ich nehme an, dass der Markt daraufhin geöffnet wurde.«
»Aber welche Bedeutung hat dieses Bild dann eigentlich? Warum führt es dazu, dass Carl Palmcrona sich das Leben nimmt? Das Einzige, was sich ihm entnehmen lässt, ist doch, dass er sich mit diesen Leute in einer Loge getroffen hat.«
Schweigend fahren sie auf der staubigen Autobahn nach Süden, während Joona das Foto betrachtet, es umdreht, die abgerissene Ecke mustert und nachdenkt.
»Dann ist das Bild also nicht weiter bedrohlich?«, fragt er.
»Nein, in meinen Augen jedenfalls nicht.«
»Hat Palmcrona sich das Leben genommen, weil er wusste, dass der Fotograf ein Geheimnis enthüllen wird?
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