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Pain - Bitter sollst du buessen

Pain - Bitter sollst du buessen

Titel: Pain - Bitter sollst du buessen Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Haus in Houston, in dem Annie gestorben ist. Sie ist nie umgezogen, hat nicht wieder geheiratet, geht nicht einmal mit Männern aus, verbringt viel Zeit mit ehrenamtlicher Arbeit für die Kirche und lebt von dem Geld, das ihre Scheidung und ihre Investitionen ihr einbringen. Eine gerissene Dame, meine Tante Estelle. Aus einem ganz hübschen Erbe hat sie ein kleines Vermögen gemacht. Während unseres einzigen Telefongesprächs hat sie sich einverstanden erklärt, sich für mein Buch interviewen zu lassen, solange ich sie persönlich aufsuche. Ich stehe zwar nicht unbedingt ganz oben auf der Liste ihrer Lieblinge, bin aber auch nicht Persona non grata. Sie will nicht, dass Annies Geschichte bekannt wird, aber da es nun mal unvermeidlich ist, will sie wenigstens auch ihre Version erzählen.« Er zog einen Mundwinkel hoch. »Sie ist eine sehr dominante Frau, und vermutlich glaubt sie, wenn sie mit mir redet, wird ihre Sichtweise der Geschehnisse wie das Evangelium für mich sein, sodass ich sie wortwörtlich übernehme.«
    »Was nicht der Fall sein wird.«
    »Natürlich nicht. Wahrheit bleibt Wahrheit. Man kann sie einfärben, wie man will, sogar versuchen, sie weiß zu waschen, aber es bleibt doch die Wahrheit. Estelle ist eine Meisterin im Manipulieren, aber bei mir wird sie es schwer haben.« Er warf einen Blick über seine Schulter. »Aber es wird bestimmt interessant sein zu hören, was sie zu sagen hat.«
    Sam erinnerte sich an die kalte Frau, die Sam verboten hatte, an der Trauerfeier für ihre Tochter teilzunehmen. Groß und anmutig, mit hochgestecktem blonden Haar und blassblauen, tränenlosen Augen, hatte sie Samantha am Friedhofstor herablassend angesehen. »Das ist eine private Feier«, hatte sie gesagt. »Nur für die Familie.«
    »Ich bin nur gekommen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen«, hatte Sam erwidert. Das Herz tat ihr weh vor lauter Schuldgefühlen, als hätte sie das Mädchen irgendwie beraten können, als wäre es ihr möglich gewesen, zu ihr durchzudringen und diese unvorstellbare Tragödie zu verhindern.
    »Meinen Sie nicht, dass Sie genug angerichtet haben? Meine Familie ist am Boden zerstört, und das ist Ihre Schuld. Wenn Sie ihr geholfen hätten …« Estelles kühle Maske zerbrach; ihre Lippen begannen zu zittern. Tränen füllten ihre geisterhaften Augen, und sie blinzelte heftig. »Sie verstehen einfach nicht … Bitte … Es wäre besser für alle, wenn Sie gehen würden.« Estelle wurde blass unter ihrem Make-up. Sie hob eine bebende Hand und tupfte sich die Augen, sorgsam darauf bedacht, keine Wimperntusche zu verschmieren. »Ich … ich kann das im Moment nicht ertragen.« Sie wandte sich an einen schlaksigen Mann mit schütterem braunen Haar, gebräunter Haut und kummervoller Miene. Sam erkannte in ihm Estelles Mann, Annies Stiefvater, Jason Faraday. »Es ist so schrecklich«, sagte Estelle, während der Mann Sam mit einem Blick bedachte, der sie anflehte zu gehen. »Ich … ich will diese Frau nicht hier haben.«
    »Schschsch. Keine Sorge«, flüsterte er und legte beschützend den Arm um ihre schmalen Schultern. »Komm.« Er führte Estelle zu dem frisch aufgeworfenen Grabhügel auf der mit Grabsteinen durchsetzten Rasenfläche.
    Sam hatte verstanden. Ein paar Wochen später war die Beileidskarte zurückgekommen, die sie der Familie geschickt hatte. Ungeöffnet.
    »Viel Glück für dein Gespräch mit ihr«, sagte sie jetzt und schüttelte den Kopf, um die schmerzliche Erinnerung loszuwerden. »Ich glaube nicht, dass Estelle etwas mit Annies Tod zu tun gehabt hat. Im Grunde bin ich auch nicht restlos davon überzeugt, dass es kein Selbstmord war. Die Polizei hat doch alles geprüft.«
    »Ich war dabei, hast du das vergessen? Ich war bei der Polizei. Wurde von dem Fall suspendiert, weil ich mit der Toten verwandt war und weil ich kein Blatt vor den Mund genommen und lautstark verkündet habe, dass ich mit der Art der Ermittlungen nicht einverstanden war.«
    »Du hast mich noch nicht davon überzeugt, dass Annie ermordet wurde. Die Polizei in Houston arbeitet doch sehr gründlich.« Während er weiterscrollte, verschränkte sie die Arme auf der Rückenlehne des Sofas.
    »Warte ab.«
    »Gut.«
    »Hier wird es interessant«, sagte er. »Jason und Estelle ließen sich knapp ein Jahr nach Annies Tod scheiden. Kaum ist die Scheidung amtlich, heiratet Jason eine Krankenschwester aus seiner Belegschaft, verkauft seinen Partnerschaftsanteil an der Klinik, in der er als Chirurg gearbeitet

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