Pain - Bitter sollst du buessen
dass diese Theorie nicht von der Hand zu weisen war, doch plötzlich wurde er abgelenkt. Montoya fädelte sich vor der Limousine ein, und Bentz erkannte, was da am Rückspiegel hing und ihn blendete. Es war ein Rosenkranz. Die glatten Perlen warfen das grelle Sonnenlicht glitzernd zurück.
»Mich laust der Affe«, entfuhr es Bentz, während Montoya die Spur verließ, um die Ausfahrt zu nehmen. »Hast du das gesehen?«
»Was? Den Taurus?«
»Nein, das, was da drin hing. Das alte Pärchen hatte einen Rosenkranz am Rückspiegel befestigt.«
»Und? Wahrscheinlich besitzen sie auch einen Jesus aus Plastik.« Montoya bremste an einem Stoppschild. Der Wagen kam rüttelnd zum Stehen.
»Ein Rosenkranz«, wiederholte Bentz. »Mit Perlen, die nach einem festen Muster angeordnet sind …«
»Wovon redest du? Die Perlen stellen jeweils bestimmte Gebete dar, ich weiß –« Er unterbrach sich und warf Bentz einen ungläubigen Blick zu. »Du denkst, unser Mann benutzt einen Rosenkranz als Würgeschlinge?«
»Ich denke, es lohnt sich, das zu überprüfen.«
»Und was hat das zu bedeuten? … Dass der Kerl ein Priester ist oder so?« Montoya ließ einen Sattelschlepper vorbeifahren.
»Wahrscheinlich nicht. Diese Dinger sind überall zu haben, vermutlich sogar im Internet.«
»Auf katholischen Websites?«
»Ich dachte mehr an so was wie www.rosenkranz.com.« Die Ampel sprang auf Grün.
»Heilige Scheiße«, knurrte Montoya und trat aufs Gas. Der Wagen schoss nach vorn. »Das ist nun wirklich pervers.«
Amen,
dachte Bentz, sprach es aber nicht aus.
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31 . Kapitel
D u weißt selbst, dass ich keine Informationen über Patienten herausgeben darf, Samantha«, sagte Dania Erickson in diesem besserwisserischen Tonfall, an den sich Sam noch sehr gut aus der Zeit ihrer gemeinsamen Psychologieseminare an der Tulane-Universität erinnerte. Endlich hatte Sam ihre alte Rivalin erreicht. Endlich war die Frau Doktor, die im Krankenhaus Our Lady of Mercy in Kalifornien arbeitete, zu sprechen, wenn sie sich auch keineswegs über die Störung freute.
Pech,
dachte Sam, hielt sich den Hörer des Telefons ans Ohr, das sie sich im Büro mit den anderen Moderatoren teilte, und blickte auf das Phantombild des Mörders, ein eindimensionales Porträt, das sie hinter dunklen Brillengläsern hervor anstarrte. Musik, eine Art weicher Jazz, rieselte aus den Lautsprechern, durch die offene Tür drang Stimmengesumm herein.
Dania hatte damals in Tulane zu allem etwas zu sagen gehabt, hatte immer versucht, sich bei den Dozenten lieb Kind zu machen, einschließlich Dr. Jeremy Leeds, der dann schließlich Sams Ehemann geworden war. Sam vermutete, dass ihre Heirat Dania schon immer geärgert hatte, und jetzt zeigte sich ihre ehemalige Kommilitonin unnachgiebig. Seit fast einer Woche spielten Sam und Dania nun per Telefon Verstecken, und endlich war die Verbindung zustande gekommen, was nicht hieß, dass sie Sam etwas einbrachte.
»Ich unterliege der Schweigepflicht.«
»Das ist mir klar, aber hier in New Orleans läuft ein Serienmörder frei herum. Die Polizei bringt ihn mit Annie Seger, Kents Schwester, in Verbindung. Er könnte ein Mörder sein, Dania.«
»Das ändert nichts an den Tatsachen, das weißt du selbst. Ja, ich habe Kent vor Jahren behandelt, nach dem Selbstmord seiner Schwester, aber abgesehen davon darf ich dir nichts sagen. Es würde mich meine Stelle kosten.«
»Hier geht es um das Leben von mehreren Frauen.«
»Tut mir leid, Samantha. Wirklich, ich kann dir nicht helfen.« Damit legte sie auf, und Sam stand verdattert da, den stummen Hörer in der Hand.
»Toll«, murmelte sie. Es war Donnerstagnachmittag, und in knapp einer halben Stunde sollte sie an einer außerordentlichen Personalversammlung teilnehmen. Alle Beschäftigten des Senders waren überreizt. Die Polizei hatte sämtliche Telefone angezapft, die Belegschaft war angehalten, kein Wort über die Verbindung zwischen Dr. Sams ›Mitternachtsbeichte‹ und dem Serienmörder fallen zu lassen, aber irgendwie war doch etwas durchgesickert. Als wäre sie Pandora und hätte das Chaos heraufbeschworen, gaben die Einwohner der Stadt ihr die Schuld daran, dass sich ein Mörder in den Straßen herumtrieb.
WSLJ wurde telefonisch regelrecht belagert. Die Presse verlangte Interviews. Hörer verlangten Informationen. Die Lichter der Telefonleitungen hörten keine Sekunde lang auf zu blinken.
George Hannah freute sich. Die Hörerschaft von ›Mitternachtsbeichte‹ hatte sich
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