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Pain - Bitter sollst du buessen

Pain - Bitter sollst du buessen

Titel: Pain - Bitter sollst du buessen Kostenlos Bücher Online Lesen
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über Nacht, wie es schien, vervielfacht. Es war die Sendung, die man hören musste, fester Bestandteil der alltäglichen Unterhaltungen bei Gebäck und Café au lait im Café du Monde und des Smalltalks in den Bars an der Bourbon Street und in ihrer näheren Umgebung, Thema der Abendnachrichten und der Gespräche am Wasserspender in den verschiedenen Firmen. Taxifahrer, Fabrikarbeiter, Barkeeper, Bankbeamte, Studenten – alle interessierten sich plötzlich für die ›Mitternachtsbeichte‹. Samantha Leeds alias Dr. Sam war der neue Star der Unterhaltungsbranche – allerdings eher berüchtigt als berühmt. George Hannah war völlig aus dem Häuschen, und die Gerüchte, er würde den Sender für eine geradezu unverschämte Summe verkaufen, verbreiteten sich in Windeseile über die Aorta und die gewundenen Gänge des Rundfunkgebäudes.
    Eleanor wurde schier verrückt vor Angst. Sie wollte die Sendung absetzen. Popularität war schön und gut, aber dieser Wahnsinn ging in ihren Augen eindeutig zu weit.
    Melba konnte die Vielzahl der Anrufe unmöglich bewältigen.
    Gator war mürrisch, im Gegensatz zu Ramblin’ Rob, der aus seiner Belustigung über die »ganze verflixte Sache« keinen Hehl machte. »Du hast eine verdammte Kuriositätenshow ins Leben gerufen, Sam, mein Mädchen«, hatte er zu Anfang der Woche gesagt, ihr auf den Rücken geklopft und so heftig gelacht, dass er einen Hustenanfall bekam, der sich anhörte, als wollten seine Lungen explodieren.
    Tiny war unablässig auf den Beinen, und Melanie sah müde aus und beschwerte sich darüber, chronisch überarbeitet zu sein. Sie verlangte eine Gehaltserhöhung und einen größeren Anteil an der Sendung – noch besser, eine eigene Sendung.
    Andere Radiosender der Stadt boten Sam Stellen an, sogar ein Agent aus Atlanta hatte sie angerufen und mit größeren Märkten gelockt und ihr vorgeschlagen, nach New York oder L.A. überzusiedeln.
    Was, in Anbetracht der Gegebenheiten, vielleicht gar keine schlechte Idee war. Wenn sie zurück an die Westküste zog, würde sie in der Nähe ihres Vaters leben. Und tausende von Meilen von Ty entfernt. Die Vorstellung schmerzte. Sie hatte sich bis über beide Ohren in ihn verliebt, daran bestand kein Zweifel, und in den vergangenen paar Wochen war er zum festen Bestandteil ihres Lebens geworden – er und sein großer, schwerfälliger Hund. Sie hatten sich quasi bei ihr einquartiert. Sie redete sich nicht ein, dass er ebenso in sie verliebt war; nein, er hatte nur seine eigenen Interessen im Auge und büßte für seine vermeintliche Schuld, denn er glaubte nach wie vor, diese Mordlawine losgetreten zu haben.
    Alles in allem war Sams Leben vergleichbar mit dem Dasein im Irrenhaus.
    Und noch immer streifte ein Mörder durch die Straßen.
    Ein Mörder, der nun seit fast einer Woche geschwiegen hatte.
    Doch er hatte sich nicht endgültig zurückgezogen, dessen war Sam sicher. Er wartete ab, beobachtete, stets bereit, wieder zuzuschlagen. Sie spürte es, und jedes Mal, wenn sie den Hörer abhob, jedes Mal, wenn sie eine der blinkenden Tasten auf ihrer Konsole drückte, erinnerte sie sich daran.
    Es war nur eine Frage der Zeit.
    Sam hatte an der Trauerfeier für Leanne Jaquillard teilgenommen, einer kleinen Feier vorrangig mit den Mädchen vom Boucher Center. Leannes Mutter, Marletta, war natürlich ebenfalls in der winzigen, heißen Kapelle in Flussnähe zugegen gewesen, und als Sam ihr ihr Beileid hatte aussprechen wollen, hatte Marletta ihr die kalte Schulter gezeigt. Marletta war nicht so offen feindselig gewesen wie Estelle Faraday damals, doch die Botschaft war die gleiche: Marletta gab Sam die Schuld am Tod ihrer Tochter. In diesem Fall konnte Sam nicht widersprechen. Wenn Leanne sie nicht gekannt hätte, würde sie heute noch leben.
    Die Polizei hatte nicht ausgeschlossen, dass der Mörder zum Begräbnis erscheinen würde, und hatte Undercover-Polizisten in die Kirche geschickt und verborgene Kameras installiert, die die kleine Trauergemeinde filmten.
    John war jedoch nicht aufgetaucht.
    Oder besser: Niemand hatte ihn gesehen.
    Indessen verbrachte Sam ihre Tage mit dem Grübeln über ihren Aufzeichnungen, die Nächte dagegen in Tys Armen. Sie liebten sich, als wäre jede Nacht ihre letzte, und Sam erlaubte sich keinen Gedanken daran, wohin diese Beziehung führen sollte – wenn sie überhaupt irgendwohin führte. Sie stand unter einem schlechten Stern, war auf Lügen aufgebaut und auf dem gemeinsamen Bedürfnis, den Mörder

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