Pain - Bitter sollst du buessen
nehme Sie mit aufs Revier.«
»Aber ich wäre doch bei Ihnen.«
»In erster Linie wären Sie im Weg. Geben Sie’s auf«, verlangte die Frau, marschierte davon und ließ Sam und Tiny vor Melbas Empfangstisch zurück.
»Sie hat Recht«, bemerkte Tiny. »Du solltest hier warten, bis sie den Kerl haben. Ich kann sowieso nicht weg, ich muss ja noch bis zum Ende von ›Licht aus‹ die Stellung halten.«
»Ich aber nicht.«
»Spielst du jetzt verrückt? Du solltest auf Dorothy hören, Sam. Warte wenigstens, bis dein Freund auftaucht. Er hat eben angerufen. Sie hat mit ihm gesprochen«, sagte er und wies mit dem Daumen auf den Rücken der sich entfernenden Polizistin. »Er ist auf dem Weg hierher.«
Sam biss die Zähne zusammen und sah auf ihre Uhr. Es ärgerte sie, dass sie zur Untätigkeit verdammt war. John hatte Kontakt zu ihr aufgenommen … Hier ging es um sie, sie wollte dabei sein, wenn er demaskiert und verhaftet wurde. Gleichzeitig stiegen Zweifel in ihr auf. Etwas stimmte hier nicht. Die geplante Festnahme erschien ihr zu einfach. John war klug, zu klug, um sich nach wochenlangem Versteckspiel nun durch eine Fangschaltung erwischen zu lassen. Warum sollte er das Risiko eingegangen sein, in dieser Nacht in der Leitung zu bleiben, obwohl er doch wissen musste, dass die Leitungen angezapft waren und der Anruf zu seinem Ursprungsort zurückverfolgt werden konnte? Nein, hier stimmte etwas ganz und gar nicht.
Und Ty verspätete sich.
Sie schaute noch einmal auf die Uhr.
Das passte nicht zu ihm.
»Du willst damit sagen, dass Ryan Zimmerman adoptiert war.« Ty manövrierte den Volvo in eine Parkbucht einen halben Block vom Rundfunkgebäude entfernt. »Und dass Estelle seine leibliche Mutter ist.«
»So ist es. Sie war schwanger, bevor sie Wally geheiratet hat. Die Familie hat es vertuscht, hat behauptet, sie ginge auf irgendein schickes Internat, während sie in Wirklichkeit in einem katholischen Krankenhaus ihr Kind zur Welt brachte. Wie sich herausgestellt hat, wurde Ryan von einem Ehepaar aus Houston adoptiert, das schließlich in denselben Bezirk zog, in dem Estelle mit ihrer Familie wohnte. Sie wusste natürlich nicht, dass Ryan ihr Sohn war, schöpfte erst Verdacht, als Annie mit ihm ging und ihn mit nach Hause brachte. Irgendwie hat sich Annie mal verplappert und seine Adoption erwähnt. Ryan sah dem Vater des Kindes, das sie fortgegeben hatte, so ähnlich, dass Estelle anfing, Nachforschungen anzustellen. Sie heuerte einen Privatdetektiv an. Von dem habe ich auch meine Informationen.« Er warf einen Blick auf das Gebäude, in dem der Sender WSLJ untergebracht war. »Der Privatdetektiv hat auch noch was anderes herausgefunden.«
»Den Namen des anderen Kerls, mit dem sich Annie eingelassen hatte.«
»Ja.«
»Es kommt wohl noch schlimmer.«
»Wie es aussieht, hat Annie es mit ihren beiden Brüdern getrieben.«
Obwohl er es sich schon fast gedacht hatte, war Ty doch im ersten Moment schockiert. Er wollte nach seinem Schlüssel greifen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. »Mit beiden?«
»Na ja, sie wusste natürlich nicht, dass Ryan ihr Bruder war … Und mit Kent hat sie keineswegs freiwillig geschlafen. Doch als sie zu ihrer Mutter ging und ihr sagte, dass Kent sie sexuell belästige, wollte Estelle ihr nicht glauben. Hat sich einfach gegen die Vorstellung gesträubt.«
Ty stieg es säuerlich in den Hals. »Tolle Mutter.«
»Allerdings«, pflichtete Navarrone ihm bei.
»Also war Kent der Vater von Annies Kind?«
»Sieht so aus.«
»Kein Wunder, dass Estelle nicht darüber reden wollte.«
»Welche Mutter würde schon gern über so was reden?« Navarrone streckte die Hand nach dem Türgriff aus. »Ich habe schon mit Bentz darüber gesprochen. Alle sind auf dem gleichen Stand.«
»Hör dir das an«, sagte Montoya und nahm mit überhöhtem Tempo eine Kurve, während der Polizeifunk knisterte. »Es hat einen Unfall gegeben …«
Bentz war mit seinen Gedanken schon weiter. »In der Straße, in der die Telefonzelle steht, von der aus John angerufen hat. Was zum Teufel geht da vor?« Er hatte seinen Satz kaum zu Ende gebracht, da bogen sie in die Chartres ein und sahen die Menschenansammlung. Ein Krankenwagen war bereits am Unfallort, rote und blaue Lichter rotierten, Fußgänger drängten sich auf den Gehsteigen und auf der Straße. Der Verkehr war zum Stillstand gekommen.
Bevor der Streifenwagen hielt, war Bentz schon hinausgesprungen, seine Glock in der einen, die Dienstmarke in
Weitere Kostenlose Bücher