Pain - Bitter sollst du buessen
die Ohren. Ein dumpfes Grollen kam aus seiner Kehle.
»Schon gut«, beruhigte Ty ihn, ging zur Schiebetür hinüber und schlüpfte nach draußen, wo Insekten summten und das Radio nur gedämpft zu hören war. Aber irgendetwas stimmte nicht. Er spürte es so deutlich wie den heißen Atem des Windes. Blinzelnd starrte er in der Dunkelheit zu seinem Boot hinüber. Er glaubte, einen sich bewegenden Schatten zu sehen, sagte sich jedoch, dass es nur Einbildung gewesen sei.
Er durfte nicht länger warten. Nicht, wenn er dafür sorgen wollte, dass Sam sicher nach Hause gelangte. Ihre Stimme im Radio, die noch immer Fragen beantwortete und Ratschläge erteilte, drang an sein Ohr. Er eilte wieder hinein. »Los«, sagte er zu seinem Hund. Als er nach seiner Pistole im Schulterhalfter griff, richteten sich die feinen Härchen auf seinem Arm auf. »Gehen wir.« Er war gerade zur Tür hinaus, da bemerkte er die dunkle Gestalt, die sich aus den Schatten löste.
Tys Finger spannten sich um die Pistole. »Navarrone?«
»Ja.« Andre erwartete ihn bei seinem Volvo.
»Mistkerl, wo hast du gesteckt?«
»Steig ein, dann sag ich’s dir«, erwiderte der andere und marschierte um den Volvo herum zur Beifahrertür. »Ich glaube, ich weiß, wer der Mörder ist.«
Sam warf einen Blick auf die Uhr. Die Sendung war gleich vorüber. Sie handelte die Anrufe ab, einen nach dem anderen, hörte zu, gab den Leuten Tipps. Ihre Muskeln waren verkrampft, ihre Nerven zum Zerreißen gespannt.
John hatte nicht angerufen. Das überraschte sie im Grunde nicht sonderlich. Es war gut möglich, dass er sich später meldete, vielleicht sogar erst, wenn sie zu Hause war.
»Du würdest also für niemanden ein Opfer bringen«, sagte Sam zu einer Frau, die sich als Millie vorgestellt hatte, und sah im selben Moment aus den Augenwinkeln, wie Tiny hektisch winkte und auf ihren Computer deutete. Sie schaute auf das Display. Johns Name blinkte auf Leitung drei.
»Ich habe genug Opfer gebracht, als ich verheiratet war«, entgegnete Millie.
Sam musste sie in der Leitung halten, musste sie zum Reden animieren, damit John, falls er die Sendung verfolgte, wusste, dass sie noch beschäftigt war. In der Zwischenzeit konnte sein Standort ermittelt werden.
»Und wenn du noch einmal geheiratet hättest?«
»Eher wäre die Hölle eingefroren«, schnappte Millie und schnaubte verächtlich.
Hör nicht auf, Millie. Erzähl weiter,
flehte Sam im Stillen, und während sie Leitung drei blinken sah, brach ihr der Schweiß aus. Bevor er ernüchtert auflegte, musste sie seinen Anruf entgegennehmen. Er wusste zweifellos, dass man versuchen würde, den Anruf zurückzuverfolgen, also achtete er bestimmt darauf, nicht zu lange in der Leitung zu bleiben. »Danke, dass du uns deinen Standpunkt klar gemacht hast«, sagte Sam, als die Polizistin am Fenster zwischen den Kabinen auftauchte und Sam mithilfe von Gesten aufforderte, sich jetzt John zuzuwenden und irgendwie dafür zu sorgen, dass er nicht zu schnell wieder auflegte. Sam drückte die Taste für Leitung drei. »Hallo, hier spricht Dr. Sam. Du bist auf Sendung.«
Niemand meldete sich.
»Hallo? Hier ist Dr. Sam«, sagte sie noch einmal und bekam noch immer keine Antwort.
Sie wartete; das Kontrolllicht für Leitung drei blinkte nach wie vor, was bedeutete, dass der Anrufer noch nicht eingehängt hatte.
»Hörst du mich? Möchtest du über Opfer reden?«, fragte sie in dem Versuch, die Stille zu überbrücken. »Hallo? Ist da jemand?« Sie blickte durch die Scheibe zu der Polizistin hinüber, die einen Finger hob, die Taste der Leitung drei drückte, damit der Anruf nicht verloren ging, und Sam anwies, ein anderes Gespräch anzunehmen.
Sam tat, wie geheißen. Sie unterhielt sich nun mit einem Mädchen namens Amy, immer in dem Bewusstsein, dass Leitung drei noch aktiv war, dass John irgendwo da draußen lauerte, die Sendung anhörte und versuchte, in Kontakt zu ihr zu treten.
Und wenn er in diesem Augenblick jemanden umbringt? Das ist es doch, was ihn antörnt: Er tötet Frauen, während er deine Sendung anhört. So hat er es mit Leanne gemacht und mit den anderen auch. In diesem Augenblick könnte er …
Sie sah Tiny am Fenster stehen und verzweifelt winken, und ihr wurde klar, dass sie etwas verpasst hatte, dass Amy aufgelegt hatte. »Entschuldigt bitte«, sprach Sam ins Mikrofon. »Anscheinend sind hier bei WSLJ technische Probleme aufgetreten. Uns bleiben noch ein paar Minuten, also, ruft bitte an.« Leitung eins
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