Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
Vom Netzwerk:
zwei weitere außer seinem eigenen … Und er öffnete die Finger, als ihm aufging, dass er die Nägel so tief in Marikanis Unterarm gegraben hatte, dass die junge Frau blutete. Sie sahen einander an, aber Marikanis Augen waren unstet, beinahe glasig. Sie hatte sicher viel Blut verloren, schon bei der Folter, und nun waren da auch noch die Armbrustbolzen.
    »Ayashinata Marikani«, sagte er spöttisch, beinahe boshaft, und die junge Frau schien einen Moment lang wieder
zu sich zu kommen, bevor sie den Kopf gegen die Mauer lehnte und begann, stoßweise Blut und Galle zu erbrechen.
    Ihre Beine gaben nach, und Arekh musste sie stützen, damit sie nicht zusammenbrach. Das werde ich niemals schaffen , begriff er. Wenn er lebend aus dem Abgrund aus Blut und Tod herauskommen wollte, zu dem Salmyra geworden war, dann musste er sie zurücklassen, musste zulassen, dass sie neben dem gepflasterten Gehweg im Sklavengraben zusammensackte. Aber er ließ sie nicht los, und als der Lärm der Meriniden hinter ihnen zu verklingen schien, stieß er sie vorwärts, hob sie hoch, schob sie über die Mauer, und sie fielen beide auf die Blumen und Büsche des privaten Gartens eines der reichsten Händler von Salmyra, der sich jetzt bestimmt mit seiner Familie auf der Straße nach Faez befand; sicher schrien seine Diener vor Durst wie die meisten anderen Bewohner von Salmyra, die ohne Hoffnung durch die Wüste flohen.
    »Das ist eine seltsame Art, Leute zu besuchen«, flüsterte Marikani.
    Arekh drehte sich um und sah wieder Intelligenz in den Augen der jungen Frau aufblitzen, als hätte der Aufprall sie zu sich gebracht.
    »Wir müssen die Stadt durchqueren, um meine Gemächer zu erreichen«, sagte er, außer Atem vor Anstrengung.
    »Das Südtor …« Marikani wurde von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen. »Wenn die Meriniden von Westen in die Stadt eingefallen sind, ist das Südtor das einzige, das -«
    »Erst in meine Gemächer!«
    Er half ihr aufzustehen, und indem er sie halb stützte, halb schleppte, arbeiteten sie sich von Garten zu Garten, von Mauer zu Mauer, auf den Palast zu. Schreie und Flammen
durchdrangen rings um sie die immer tiefere Dunkelheit. Arekh hatte den Eindruck, als zerfließe ihr Schicksal Stück für Stück, wie Tropfen aus einer Wasseruhr strömten. Je länger sie warteten, desto stärker würde die Stadt zur Falle werden, desto geringere Chancen hatten sie. Sie hätten jetzt fliehen müssen, sofort.
    Das Gässchen, das die Gärten der Villa von Shi-Âr Ranatis Bruder vom Palast trennte, war verlassen - allerdings noch nicht lange, denn aus den Kehlen dreier Leichen auf dem Pflaster strömte noch Blut. Sklaven, wie Arekh erkannte. In der Nacht hatten zwar alle Menschen die gleiche Haarfarbe, aber diese Toten trugen Ketten an den Füßen.
    Die Gärten des Gästetrakts waren leer. Zur Linken war ein Gebäude völlig niedergebrannt, aber die Büsche waren noch heil, und die Blumen eines kleinen Hains kämpften wacker gegen den allgegenwärtigen Gestank des Todes an. Arekh, der Marikani noch immer am Arm festhielt, spürte, wie sie schwächer wurde und welche Anstrengung es sie kostete, weiterzugehen.
    »Wir sind gleich da«, flüsterte er und wurde sich bewusst, wie hart seine Stimme klang.
    Marikani litt, sie starb vielleicht, doch er konnte ihr sein Mitgefühl nicht zeigen. Er hasste sie, das wusste er; er war zwar ein großes Risiko eingegangen, um sie vor den Seelenlesern zu retten, aber er hasste sie … Und da er sich seines eigenen Wahnsinns bewusst wurde, stieß er sie grob voran.
    Der Kopf der jungen Frau sauste geradewegs auf eine der Säulen des Innenhofs zu, und da sie sich mit ihren gefesselten Händen nur schlecht abstützen konnte, hätte sie ihn sich kräftig gestoßen, wenn sie sich nicht instinktiv
gedreht hätte, um den Aufprall mit der Schulter abzufangen. Sie beschwerte sich nicht, klagte nicht, wandte sich aber zu Arekh um, und er hatte das Gefühl, trotz der Dunkelheit die Last ihres Blicks zu spüren.
    Eine Welle des Zorns übermannte ihn, und er wusste nicht, was er getan hätte, wenn nicht eine Stimme aus dem Dunkel ertönt wäre: »Herr?«
    Marikani wandte sich ab, und Arekh starrte in die Schatten. Die Silhouette der kleinen Sklavin erschien zwischen den Säulen.
    »Ich bin’s«, raunte er. »Alles in Ordnung?«
    »Es sind Männer in den Garten gekommen«, flüsterte das Kind. »Ich hatte mich versteckt, deshalb haben sie mich nicht gesehen - die Schläuche auch nicht. Sie sind wieder

Weitere Kostenlose Bücher