Pakt der Könige
trotz der Hitze Kettenhemden über ihren Leinengewändern trugen.
Arekh hörte leichtfüßige Schritte hinter sich und drehte sich um.
Vashni.
»Guten Tag, Morales«, sagte sie sanft.
Sie lachte nicht, lächelte nicht, scherzte nicht. Ihre Züge waren verhärmt und ihre Augen trocken, obwohl sie perfekt geschminkt und frisiert war. Was hatte sie gedacht, als sie die Wahrheit über Marikani erfuhr? Als sie gesehen hatte, wie ihre Königin, die Frau, die sie schon immer unterstützt hatte, der Menge in Ketten vorgeführt worden war wie ein Tier auf dem Jahrmarkt? Vashni ist nicht Lio nor , dachte Arekh, als er die dunklen Augen der Hofdame nachdenklich auf sich ruhen fühlte. Sie legt Wert auf ihre Stellung, ihr Vermögen, ihren Ruf.
Und sie kannte ihn. Sie wusste, was Arekh für Marikani damals am Hof von Harabec empfunden hatte.
»Ehari Vashni«, sagte Arekh und verneigte sich höflich. Dann drehte er sich wieder zu Laosimba um. »Ich muss die Gefangene sehen.«
Vashni starrte ihn an; Arekh tauschte einen langen Blick mit ihr.
»Warum?«, fragte Laosimba.
Hinter sich hörte Arekh Metall über Metall schrammen:
Kettenhemden wurden angelegt, Schwerter in die Scheiden geschoben.
»Shi-Âr Barbas will, dass ich mich vor dem Aufbruch überzeuge, dass sie bei guter Gesundheit ist.«
Die Ausrede ergab keinen Sinn, aber Laosimba, der mit einem Auge das Aufladen des Wassers überwachte, achtete nur halb auf das Gespräch. »Gut. Beeilt Euch«, sagte er und winkte zwei Söldner zur Sänfte hinüber. »Holt sie!« Dann sah er wieder Arekh an. »Ich würde Euch gern anbieten, mit uns zu kommen, aber ich fürchte, Ihr würdet an der Grenze verhaftet werden. Ihr seid in Reynes verurteilt, nicht wahr?«
»Danke für Eure Einladung, aber ich gehöre schon zu Shi-Âr Barbas’ Eskorte«, sagte Arekh mit einem gezwungenen Lächeln; er verfolgte jede Bewegung der Söldner, die in die Sänfte stiegen, spürte Vashnis Blick, der immer noch auf ihm ruhte, bemerkte, dass drei Soldaten, die ein Maultier satteln wollten, näher an ihn herangetreten waren … Als umspannten seine Sinne die ganze Stadt, war er sich auch des Durcheinanders bewusst, das sich draußen immer weiter steigern würde, der Meriniden-Armee, die jetzt sicher auf den Mauern kämpfte, des Strudels aus Tod und Zerstörung, der für den Augenblick von den dicken Mauern des Lagerhauses abgehalten wurde.
Einer der Söldner gab im Dialekt des Südens einen knappen Befehl, und Arekh verkrampfte sich, als er Marikanis Stimme hörte, die undeutlich etwas erwiderte - sicher murmelte sie eine Beleidigung. Der Söldner zerrte sie aus der Sänfte.
Arekh hielt den Atem an.
Marikani war bleich, sogar noch blasser als Vashni; ihr Gesicht war geschwollen. Lange Wunden verunstalteten
ihren rechten Arm, die Schulter, den Hals - keine Peitschenstriemen, sondern Spuren eines langen Messers oder einer anderen Klinge. Arekh erschauderte …
… und begriff, dass er einen Fehler begangen hatte, als er Verstehen in Vashnis Augen aufblitzen sah.
Wenn sie bisher noch nicht gewusst hatte, was Arekh im Schilde führte, wusste sie es jetzt. Arekh bemerkte, dass sie sich umsah und die Lage analysierte, wie er es bei seiner Ankunft getan hatte. Die Anzahl der Söldner. Ihre Bewaffnung. Die Strecke bis zum Ausgang.
Marikani setzte einen Fuß auf den Boden und sah auf.
Sie erkannte Arekh und erstarrte für einen Moment. Dann wandte sie das Gesicht zum Ende des Lagerhauses und schien mit besonderer Aufmerksamkeit die leeren Amphoren und vergessenen Getreidesäcke zu betrachten. Arekh konnte für eine Weile den Blick nicht von ihr abwenden; er musterte ihre beinahe durchsichtige Haut, die sich über den Knochen spannte, bemerkte, wie mager sie war - wie konnte sie in drei Tagen so dünn geworden sein? -, und sah sich an, auf welche Weise die Blutergüsse bläuliche Sterne zwischen ihren Adern bildeten.
Sie trug Handschellen, und ihre Füße … Ihre Füße waren nur mit Stricken gefesselt. Einen Moment lang stand ihm das Bild eines an die Bank der Neuzugänge gefesselten Galeerensträflings vor Augen - und das einer jungen Frau, die zwischen zwei Strömungen herabtauchte …
»Trägt sie das Brandmal von Salmyra?«, fragte er, während er auf sie zutrat.
»Das Brandmal von Salmyra?«, fragte Laosimba erstaunt.
Arekh machte noch einen Schritt. »Shi-Âr Barbas hat darauf bestanden«, sagte er, »da sie in Salmyra festgenommen worden ist.« Noch ein Schritt. »Es ist sehr wichtig«
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