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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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gegangen.«
    Marikanis Blick huschte zwischen Arekh und dem Kind hin und her. »Wer ist das?«, fragte sie.
    Arekh antwortete nicht, sondern stieß sie mit harscher Gebärde ins Haus.
    Die Gemächer waren dunkel und eiskalt. Marikani trat drei Schritte auf einen Diwan zu und ließ sich dann erschöpft davor auf den Boden sinken, um den Kopf gegen das braune Polster zu lehnen. Sie kann nicht fliehen , dachte Arekh. Nicht in diesem Zustand . Einer der Armbrustbolzen in ihrem Arm war abgebrochen, aber ein Teil des anderen ragte noch hervor. Er musste sie entfernen. Und er musste einen Weg finden, die Wasserschläuche zu transportieren - also irgendwo ein Pferd stehlen. Sie mussten das Südtor erreichen. Und dann? Er brauchte … Er brauchte …
    »Ich brauche Licht«, flüsterte er dem Kind zu und deutete auf Marikani. »Ich muss mir ihre Verletzungen ansehen.«

    »Sofort, Herr«, sagte das Kind halb laut.
    Sie sprachen alle nur flüsternd, als könnten sie sich vor der Hölle draußen schützen, indem sie die Stimme senkten. Die kleine Sklavin zündete eine Kerze an, nahm den Leuchter, führte ihn an Marikanis Gesicht heran - und zuckte zusammen.
    »Ayesha«, sagte sie mit rauer Stimme.
    Marikani öffnete die Augen und musterte sie mit einem seltsamen Schimmer im Blick. Der Name kam Arekh bekannt vor, aber er hatte zu viel im Kopf, um sich damit aufzuhalten. Er nahm die Kerze und beugte sich über Marikani.
    Das Licht erhellte die Wunden, die er schon im Lagerhaus bemerkt hatte. Es waren geschickt zugefügte, lange Schnitte, die gekonnt Venen, Arterien und wichtige Nerven vermieden, aber die Haut ein wenig anhoben … Was hätte die Folter noch bewirkt, wenn das Opfer nichts mehr spürte? Doch das hier war nur ein Anfang: fast nichts, kaum vier oder fünf Stunden der Qual, die leichten Vorboten des Abstiegs in die Abgründe, des langsamen, schmerzhaften Todes, der Gotteslästerern drohte. Entweder war der Henker durch den Krieg unterbrochen wurden, oder - und das war wahrscheinlicher - die Seelenleser hatten sich das Beste für Reynes aufsparen wollen, um aus dem Tod der Sklavenkönigin ein wahres Spektakel zu machen. Vielleicht hatten sie auch vorgehabt, ihr noch einige militärische und strategische Geheimnisse Harabecs abzupressen. Göttliche Verdammnis hin oder her, Politik war Politik …
    Aber die Armbrustbolzen waren nicht mit dem Fingerspitzengefühl eingedrungen, das der Henker bewiesen hatte. Sie mussten entfernt werden, und zwar schnell. Arekh holte einen langen Dolch aus seiner Kommode und
hielt ihn in die Flamme. Marikani spannte sich an, als er die Klinge heranführte, krümmte sich dann und biss die Zähne zusammen, ohne aufzuschreien oder auch nur zu wimmern. Sie hatte in den letzten Tagen wohl Schlimmeres durchgemacht. Arekh führte die beiden Operationen ohne besondere Gefühlsregung aus. Die Flamme der Kerze zitterte und tauchte Marikanis Hals in ein goldenes Leuchten. Arekh kam ein seltsamer Gedanke: Er hatte Marikani noch nie so viel auf einmal berührt. Diese Operation - oder eher dieses Schlachtfest, denn er verstand sich nicht gut auf die Wundarznei, obwohl er sein Bestes getan hatte - hatte für mehr körperlichen Kontakt als je zuvor zwischen ihnen gesorgt. Und die junge Frau erschauerte unter seinem Messer stärker, als er sie je zuvor zum Erschauern gebracht hatte … Die Vorstellung war pervers, beinahe ekelerregend, und er brachte die Operation rasch zu Ende und zerriss dann ein Offiziershemd, um ihren Arm zu verbinden.
    Einige Sekunden hielten sie alle drei im Licht der einzelnen Kerze inne. Die kleine Sklavin betrachtete Marikani, die mit geschlossenen Augen, den Kopf aufs Fußende des Diwans gelegt, am Rande einer Ohnmacht dahindämmerte; Arekh saß mit dem Dolch in der Hand daneben und beobachtete sie beide. Für einen flüchtigen Augenblick waren sie alle drei vor dem Sturm geschützt, der draußen tobte.
    Schließlich erhob Arekh sich widerwillig.
    »Wir haben noch fünf Wasserschläuche«, sagte das Kind, schon bevor er danach fragen konnte.
    Fünf Schläuche für drei Personen. Das war hervorragend und gewiss viel mehr, als die meisten Familien hatten, die aufs Geratewohl in die Wüste geflohen waren. Mit diesen
Schläuchen konnten sie unbeschadet irgendwohin gelangen. Aber wohin? Das war eine andere Frage. Und dann war da noch das Gewicht. Ein einzelner Mann, ein Kind und eine Verwundete konnten keine solche Last auf dem Rücken schleppen. Ja, sie brauchten ein Pferd, aber mit

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