Pakt der Könige
Mantel auf, gab der kleinen Sklavin ein Zeichen und ging ins Freie.
Die Nacht war kühl und schön, und Arekh atmete die eisige Luft mit unendlicher Erleichterung ein. Neben ihm warteten vier prächtige braune Pferde, bewacht von einem sehr jungen Lakaien, der ihn verängstigt anstarrte und sich sicher fragte, ob er seine Herren je wiedersehen würde.
Die Sterne funkelten mit beinahe schmerzhafter Intensität.
Die Kleine beobachtete Arekh, und er erinnerte sich an ihr Gespräch im Wirtshaus. Ich habe ihn nicht getötet , hätte er beinahe wiederholt. Nicht ihn. Nicht Ires. Aber er hielt sich zurück. Vor einer Sklavin musste er sich nicht rechtfertigen.
Die Straße, die sie bis hierher geführt hatte, schlängelte sich in die Schatten. Und nun? Was wollte Ishna? Wo war sein Zeichen? Warum war Arekh hierhergekommen?
Die Kieselsteine lasteten schwer in seiner Tasche, und er
zögerte. Er wollte nicht mehr spielen und war der Rätsel müde. Es war Zeit, sich ein für alle Mal der Steine zu entledigen.
Das Spiel machte keinen Spaß mehr.
Aus einem Gewissensbiss heraus zog er einen einzelnen Stein hervor und hielt ihn hoch, sah, wie sich das Licht der Monde darin spiegelte.
»Ishna«, sagte er, »das ist die letzte Gelegenheit. Wo ist dein Zeichen?«
Hinter ihm schwang die Tür des Wirtshauses auf.
Arekh wirbelte kampfbereit herum. Aber es war nur der Priester.
Arekh musterte den Mann, während dieser im Sternenlicht auf ihn zutrat. Er war etwa vierzig Jahre alt und hatte ein nachdenkliches, recht sanftes Gesicht. Er trug das schwarze Gewand des ewigen Opfers, geschmückt mit einem rot und orangefarben gemusterten Kragen. Die Farben standen für Saïj, die Hüterin des Opferfeuers.
Der Priester sah ihn einen Moment lang an und sagte dann mit schleppender Stimme: »Arekh es Morales, Erbe von Miras … Ihr wisst, dass nach Euch auf dem gesamten Gebiet von Reynes gefahndet wird.«
Arekh beschränkte sich darauf, ihn anzustarren, ohne etwas zu erwidern.
»Nach diesem kleinen … Vorfall im Wirtshaus wird es schwierig für Euch sein, unbemerkt zu bleiben. Binnen zwei Stunden wird die ganze Gegend auf dem Laufenden sein. Von morgen an wird man die Straßen bewachen. Es wird Euch schwerfallen, die Grenze wieder zu überqueren.«
Arekh antwortete noch immer nicht.
Der Priester zögerte und fuhr dann fort: »Ich bin neugierig.
Welche Wirkung hat es auf Euch, diesen Ort wiederzusehen?«
Das Schweigen zog sich in die Länge; dann zuckte Arekh mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Jetzt kommt mir alles so klein vor. Es ist nicht mehr derselbe Ort.«
»Das erstaunt mich nicht«, erwiderte der Priester, und Arekh hörte, wie die kleine Sklavin hinter ihm erschauerte. Der Wind frischte auf und ließ die ohnehin schon eisigen Temperaturen noch weiter sinken. »Es ist nicht derselbe Ort. Damals war alles voller Leute, die Ihr geliebt oder gehasst habt, so dass Euer Kinderblick alles zum Leben erweckte. Kinder lassen erstrahlen, was sie nur sehen. Ihre Einbildung entzündet noch den trübseligsten Ort mit dem göttlichen Funken und -«
»Wenn Ihr etwas zu sagen habt, spuckt es aus«, unterbrach ihn Arekh. »Wie Ihr schon sagtet: Die Straßen werden bewacht sein. Ich werde mich nicht länger aufhalten.«
Der Priester verschränkte die Arme. »Ihr seid doch der Morales, der Ratgeber der Krone von Harabec war? Derjenige, der mit fünfzig Mann den Palast wieder eingenommen hat, nachdem der Cousin von Ayashinata Marikani - möge Arrethas sie und all seine übrigen Nachkommen beschützen! - einen Staatsstreich versucht hatte?«
Die Worte des Priesters ließen in Arekhs Geist eine Aschespur zurück. »Der bin ich«, vermochte er schließlich zu sagen.
»Dann ist unsere Begegnung ein Geschenk der Götter«, sagte der Mann und verneigte sich. »Mein Name ist Pier. Ich stamme aus den Fürstentümern und bin nun Botschafter beim Hohen Rat der Stadt Salmyra, in deren Auftrag ich hier handle. Ich komme gerade aus Reynes zurück, wo ich versucht habe, die Fürstentümer zu überzeugen,
Salmyra Truppen zu schicken. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber ich hatte keine Zeit, auf die Abstimmung zu warten. Es dauert immer unglaublich lange, bis man sich dort unten entscheidet.«
Arekh nickte. Die fünf Ratsversammlungen von Reynes waren ein wahres diplomatisches Verwirrspiel, ein von einem wahnsinnigen Politiker gewebter Teppich, in dem sich sogar Experten für die Gesetze des Landes manchmal nicht zurechtfanden, selbst
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