Pakt der Könige
wenn sie von frühester Kindheit an in die Geheimnisse der Macht eingeführt worden waren.
»Viel Glück. Wenn Ihr Euch im Krieg befindet, habt Ihr tatsächlich keine Zeit zu verlieren.«
»So ist es. Wir liegen im Krieg mit den Geschöpfen der Abgründe, Ratgeber Morales. Wenn Salmyra fällt, drohen sie den gesamten Kontinent zu überschwemmen und alles Leben in den Königreichen zu zerstören … Das möchten wir lieber verhindern. Wir brauchen verlässliche Männer, talentierte Offiziere von gutem Ruf, die es verstehen, ihre Männer zu motivieren. Eure militärische Erfahrung wäre uns kostbar. Wir können Euch einen sehr guten Preis zahlen … Und natürlich«, fügte er mit einem Lächeln hinzu, »kann ich Euch auch wieder über die Grenze bringen. Niemand hat das Recht, den Begleiter eines Priesters zu verhaften.«
»Ihr führt Krieg gegen die Geschöpfe der Abgründe?«, wiederholte Arekh verblüfft. »Aber wie -«
»Das ist eine lange Geschichte. Nehmt Ihr mein Angebot an? Wir werden alle Zeit der Welt haben, uns auf dem Weg in den Westen miteinander zu unterhalten.«
Salmyra. Der Weg in den Westen. Die großen, öden Ebenen, in denen Arekh sich hatte verlieren wollen, um
ein neues Leben zu beginnen, als er gefolgt von Lionor, Mîn und Marikani den Pass am Aschegipfel überschritten hatte, in der Hoffnung, die beiden jungen Frauen zurücklassen zu können …
Aber die Dinge hatten sich nicht wie geplant entwickelt, und er hatte einen verdammt großen Umweg gemacht.
Ein Krieg. Noch einer.
Warum nicht?
»Einen sehr guten Preis? Das klingt etwas vage. Könnt Ihr das präzisieren?«
»Wenn Ihr wollt, werden wir später darüber verhandeln«, sagte Pier. »Aber Ihr werdet staunen. Die Shi-Âr von Salmyra sind verzweifelt. Und reich.«
Arekh verneigte sich. »Da sagt Ihr zwei Dinge, die mir ausgesprochen gut gefallen. Ich stehe zu Eurer Verfügung, oh Gesegneter der Saïj.«
»Meine Kutsche steht dort drüben«, sagte der Priester und schauderte trotz seines Umhangs. »Gehen wir. Es wird bald regnen.«
Kapitel 4
Die aufständischen Sklaven drangen in Marikanis und Harrakins Gemächer ein - nachts, genau in dem Augenblick, als die Monde in Konjunktion mit dem Nordstern standen. Ein Komplize in der Küche hatte ein starkes Betäubungsmittel in das Essen der Wachen gemengt, und diese sahen, obwohl sie die Augen offen hielten, die Angreifer nicht wirklich kommen. Ihr Blut strömte wie eine neue Maserung des Gesteins über den Marmor. Ihr Hauptmann war nicht zum Dienst erschienen. Menra, eine Sklavin von so üppigen Formen, dass selbst ihr langes, blondes Haar freie Männer nicht abschrecken konnte, hatte dafür gesorgt, dass er die Nacht bei ihr verbrachte. Sie hatte ihm die Kehle durchgeschnitten, sobald er eingeschlafen war.
Sie würde am nächsten Tag dafür zu Tode gefoltert werden, aber angesichts dessen, was auf dem Spiel stand, war es das wert.
Der Tag würde kommen.
Der Tag musste kommen.
So wiederholten die Männer und Frauen des Türkisvolks manchmal die Verse der alten Prophezeiung wie ein Gebet. Die Prophezeiung stammte aus grauer Vorzeit,
vielleicht aus dem Eis, aus dem kalten, blauen Land, das zur Legende geworden war und aus dem das Türkisvolk vor Tausenden von Jahren angeblich aufgetaucht war, um in diesem brennend heißen, grausamen Land in Gefangenschaft zu geraten.
Aber die Götter hatten es ihnen versichert: Einst würde der Tag ihrer Befreiung kommen. Es würde ein Zeichen geben, und auf dieses Zeichen hin würden die Angeketteten erwachen und ihre Freiheit blutig und unter Schmerzen erringen.
Es gab viele, die dieses Zeichen geben wollten.
Der Sklave, der seine beiden Gefährten auf die königlichen Gemächer zuführte, war einer von ihnen. Er war nur ein Unfreier wie alle anderen: Seinen Vater kannte er nicht, seine Mutter war ihm entrissen worden, als er vier Jahre alt gewesen war. Vielleicht war sie verkauft worden, vielleicht auch getötet; er hatte nie etwas darüber erfahren. Eines Tages war sie einfach aus dem Bergwerk verschwunden. Er war dort aufgewachsen, hatte dort gearbeitet, jeden Zentimeter Stein mit unendlichem Leid durchtränkt …
Und eines Tages hatte dieses Leid ein Ende gefunden. Es war früh an einem Morgen gewesen, bevor die Sonne aufgegangen war, als die Rune der Knechtschaft noch am Himmel gefunkelt hatte. Er war zum Verladen eingeteilt worden und hatte die erste Fuhre des Tages ins Freie geschoben. Er hatte die Sterne angesehen, und auf einmal war
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