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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Norden gelangten, nach Reynes und ins Emirat: die milchigen Opaltränen des Felsens, mit denen die Schönen ihren kostbaren Schmuck verzierten; ein durchscheinender, zerbrechlicher Stein, den man zu Pulver zerrieb und zu Fäden spann, um ihn mit Seide zu vermengen; der Purpurkristall, den man auch Lassin nannte, dessen feine Nadeln in der Uhrmacherei und zu Präzisionsarbeiten benötigt wurden; und dann auch der hauptsächliche hiesige Bodenschatz, Loosa , das brüchige, versteinerte Holz des Südens, das man den Bauern in Reynes für ein paar Münzen verkaufte, damit sie im Winter heizen konnten.
    Die Sklaven stiegen die Stollen hinauf und schleppten die Handelsware in Holzkarren mit rudimentären Rädern hinter sich her, die über den Stein schrammten; sie waren wie Zugtiere angeschirrt und schwitzten in der trockenen Luft. Ihre bleiche Haut wurde von Fackeln beleuchtet. Sie gingen an den Besuchern vorbei, ohne sie zu sehen, den Blick auf den Weg gerichtet, sogar wenn ihre wunden Schenkel den Purpurstoff von Marikanis Kleid oder die orangefarbenen Falten von Vashnis Hose streiften. Ihr Schicksal schritt in Seidenkleidern an ihnen vorbei, und ihre milchigen Pupillen nahmen es nicht wahr.

    Feris erklärte dem Hohepriester mit ausdrucksloser Stimme die Organisation des Bergwerks. Er beharrte darauf, dass es zwischen den einzelnen Gräben und Schlafräumen keine Verbindung gab. Jeder Clan der Kriecher - der im Hauptgraben mit seinen hundert Stollen und siebenundachtzig Brücken, die der Nebengräben mit den kostbaren Mineralien - hatte seinen Graben, einen Graben, in dem die Sklaven lebten, aßen, koteten, schliefen und sich vermehrten, und - so fügte er ohne Pause und sogar ohne Luft zu holen hinzu - nur einer von fünfzig war ein »Träger«, einer von denen, die kleine Karren zogen, um das Handelsgut aus den Gräben zum Hauptplatz zu bringen. Nein, es gab keine Gespräche, keine Verschwörung war möglich, die Rebellen, die Ayashinata und ihren ruhmreichen Gatten angegriffen hatten, waren »Vergoldete«, Sklaven, die ins Sonnenlicht hinaus durften, weil sie sich darum kümmerten, die Fuhren aufzuladen und ins Freie zu bringen. Es war ein beträchtlicher Aufstieg, »Vergoldeter« zu werden, das gestattete man nur den kräftigsten und vorzeigbarsten Sklaven, aber die Vergoldeten sprachen nicht mit den Trägern, und wenn sie erst einmal auf ihrem neuen Posten waren, hatten sie keinerlei Kontakt mehr zu denen in den Gräben, wie hätten sie also eine Verschwörung anzetteln können? Das war nicht möglich, Arrethas sei sein Zeuge …
    »Und das Essen?«, fragte der Hohepriester, als sie sich dem Nebengraben näherten.
    »Das Essen?«, wiederholte Feris und wurde blass.
    »Ja«, sagte der Hohepriester. »Es gibt doch wohl Sklaven, die sich um das Essen kümmern? Wie wird es verteilt? Von kleinen Gruppen, die von Graben zu Graben ziehen und Informationen oder Befehle weitertragen könnten?«

    Einen Moment lang starrte Feris ihn verblüfft mit offenem Mund an und suchte nach einer Antwort, mit der er sich nicht selbst schaden würde. Marikanis Herz zog sich zusammen; sie wandte sich ab, um das alles nicht mit ansehen zu müssen. Vor ihnen öffnete sich einer der Nebengräben: ein Abgrund, an dessen Boden es von Arbeitern nur so wimmelte. Es kam nicht in Frage, sich unter sie zu mischen. Die Besucher und Aufseher überschritten die Kluft auf Höhe des Tunnels auf einer Hängebrücke aus Stricken und Holz. Sie wirkte glücklicherweise solide: Ein Sturz zum Grund der Kluft, der hundertzwanzig Fuß entfernt war, wäre auf jeden Fall tödlich gewesen.
    Vashni ging schweigend über die Brücke, den Blick in die Tiefe gerichtet. Sie hatte kein Wort mehr gesagt, seit sie die Stollen betreten hatten, hatte keinen leichtfertigen Scherz gemacht, wie es doch sonst ihre Gewohnheit war. Sie schien zu vergessen, ihre Rolle der oberflächlichen Lebedame zu spielen. Sie beschränkte sich darauf, zu beobachten; auf ihrem Gesicht mischte sich Verblüffung mit einem Gefühl, das Marikani nicht zu deuten vermochte.
    »Das Essen«, wiederholte schließlich Feris hinter ihr mit zitternder Stimme. »Ja, das … Nein … Jeder Graben hat seine eigenen Feuer«, sagte er heiser. Er trat weiter auf die Brücke hinaus, beugte sich über das Geländer und deutete zu Boden. Zur Linken wurden Feuerstellen sichtbar, und auch Vashni beugte sich vor, um sie zu sehen. »Dort drüben wird in der Küche Mehlsuppe in Kesseln gekocht und dann an jeden Clan

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