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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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goldene Arrethas-Medaillon an seiner Halskette verriet sein Amt. Marikani sah, wie Feris erschauerte, als er sich wieder aufrichtete und begriff, mit wem er es zu tun hatte.

    »Wir bitten Euch demütig um Verzeihung für das gewaltige Unrecht, das Euch angetan worden ist, Ayashinata«, begann er mit zitternden Lippen. »Wir können Euch nur anflehen, Barmherzigkeit zu üben, da -«
    »Lasst uns hineingehen«, unterbrach der Hohepriester.
    Feris zögerte, schwieg dann aber und deutete auf den Hang.
    Sie gingen langsam den Weg hinunter, der zum Osteingang führte. Eigentlich war es eher ein Abhang als ein Weg, ein Abhang aus kleinen Steinen und so dichtem Staub, dass er fest war. Als sie kaum mehr als zwanzig Schritte weit gegangen waren, waren die Satinschuhe der beiden Frauen bereits grau, aber Marikani ging weiter. Die Wirkung des aromatisierten Weins, dessen Gewürze sie noch immer auf der Zunge schmeckte, begann nachzulassen, aber etwas davon blieb zurück … eine übersteigerte Empfindsamkeit vielleicht, die nicht ohne Folgen blieb. Sie hatte den Eindruck, die Seele dieses Ortes zu spüren, und bei jedem Schritt, den sie machte, traten ihr Bilder vor Augen, Männer und Frauen mit Ketten an den nackten Füßen, Lasten, die geschleppt wurden, Steine, die herabfielen, Sonne und Regen auf von altem Schweiß überkrusteter Haut.
    Sie sog die eisige Luft ein und zwang sich, wieder zu sich zu kommen. Es stand viel auf dem Spiel, und sie musste sich aller Mittel, die ihr zu Gebote standen, bedienen, um dieses Spiel zu gewinnen. Sie dachte wieder an ihre Vision - ein Aufblitzen von Leid, ein Wirbel unnötigen Schmerzes - und spürte, wie sich erneut etwas in ihrem Bauch zusammenzog, Schuldgefühl vermengt mit einem übermächtigen Eindruck der Ohnmacht.
    Die Aufwallung von Hitze überraschte sie alle. Feuer brannten beiderseits des östlichen Eingangs, der als unvollkommener
Kreis direkt in den Felsen gehauen war. Ein Geruch, der beinahe mit Händen zu greifen war, drang daraus hervor, ein Gestank nach Rauch und dicht gedrängten menschlichen Körpern, nach Kot und Steinstaub. Feris und die Aufseher traten ein, ohne dass sie etwas zu bemerken schienen, aber Vashni blieb nach zwei Schritten stehen.
    »Reizend«, sagte sie nur, nachdem sie geschnuppert hatte.
    Marikani antwortete nicht. Was gab es schon zu sagen?
    »Hier ist der Hauptplatz«, sagte Feris und deutete auf eine runde Fläche, die mit Sand und Kies bedeckt war.
    Sie befanden sich in einer großen Höhle, die von den Feuern erleuchtet wurde. Die Höhlung war teilweise natürlich, war aber vertieft worden und von unzähligen Stollen durchlöchert. Quer durch den Raum gespannte Hängebrücken erlaubten es, von einem Tunnel zum nächsten zu gelangen, ohne viel Zeit zu verlieren.
    Drei drahtige Männer, die Eisenringe an Handgelenken und Knöcheln trugen, kamen auf sie zu. Marikani unterdrückte einen Ausruf der Überraschung. Sie hatte damit gerechnet, große, muskulöse Männer mit sonnenverbrannten Gesichtern zu sehen, deren Bizeps von Jahren der Arbeit angeschwollen war - aber natürlich war das lächerlich, man brauchte eine abwechslungsreiche Ernährung, um zu wachsen. Was hatte sie sich vorgestellt? Nicht dies jedenfalls, nicht diese Männer mit ihrer teigigen Haut - kamen sie nie ins Freie? Nicht diese Männer mit alterslosen Gesichtern, toten Blicken und Körpern, die von Blutergüssen übersät waren, die man unter ihrer pergamentgleich gespannten Haut sah. Muskulös waren sie durchaus, aber es waren knotige, ungleichmäßig verteilte Muskeln: Hervortretende
Schenkel und Arme standen im Kontrast zu ihrer eingesunkenen Brust.
    Hinter Marikani seufzte Vashni enttäuscht. Marikani spürte, wie sich das Unbehagen, das sie überkommen hatte, verstärkte. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, und einen Augenblick lang kam es ihr vor, als drehe sich die Umgebung um sie.
    »Das hier sind unsere Vorarbeiter, die Mas’tir«, erklärte Feris. »Sie sind nicht in Ketten, damit sie schneller reagieren können, wenn es zu einem Aufstand der Kriecher kommt.«
    Er hatte sehr schnell gesprochen, als wolle er sich rechtfertigen, und Marikani begriff, dass er noch immer fürchtete, beschuldigt zu werden, durch Nachlässigkeit den Angriff ermöglicht zu haben.
    »Versteht Ihr, manchmal kommt es zu Balgereien in den Stollen, dann müssen sie schnell reagieren. Wenn sie Ketten trügen, könnten sie das nicht -«
    »Schon gut«, unterbrach Marikani. »Ich glaube Euch.

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