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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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einen Schritt zurück …
    Die Seelenleser. Sie würden noch heute Abend zuschlagen. Marikanis Herz zog sich zusammen, aber sie tanzte weiter. Das hieß, dass ihr Besuch im Bergwerk morgen nutzlos sein würde; Laosimba würde seine Entscheidung schon gefällt haben. Zu spät … Drei Schritte nach links, einem feixenden Löwen von anmutiger Gestalt die Hand reichen, Drehung, drei Schritte nach rechts, ja, zu spät, sie würde nichts mehr tun können …
    Und plötzlich zog ein heftiges Unwohlsein ihr den Magen zusammen, und sie krümmte sich vor Schmerzen, während ein Schrei in ihrem Geist ertönte. Ein Schrei, Stimmen, Stimmen die um Hilfe riefen, die Stimmen der Sklaven des Bergwerks, die noch nicht wussten, dass sie ermordet werden sollten. Marikani richtete sich auf, während alle sich um sie kümmerten, sie stützten, ihr Luft zufächelten.
    »Es geht mir gut, es geht mir gut«, sagte sie. »Tanzt weiter.«
    Sie überquerte die Tanzfläche, getrieben von einem schrecklichen Gefühl der Dringlichkeit. Natürlich war ihre Übelkeit dem Wein, der Anspannung des Tages und der Müdigkeit geschuldet, aber … aber es war noch Zeit. Wenn die Seelenleser erst in zwei Stunden eintrafen …
    Sie sah Vashni näher kommen, nahm sie beim Arm und
zog sie in eine Ecke. »Holt den Hohepriester«, sagte sie. »Ich gehe sofort zum Bergwerk, allein, in aller Stille. Ich möchte, dass wir die Lage einschätzen und dass der Hohepriester vor dem Eintreffen der Seelenleser eine Entscheidung fällt.«
    »Heute Abend?«, fragte Vashni, nachdem sie einen Blick in die Runde geworfen hatte, um zu sehen, ob auch niemand sie belauschte. »Jetzt? Ganz allein mit dem Hohepriester? Das schickt sich doch nicht …«
    Marikani unterdrückte ein verärgertes Seufzen, und nach einem weiteren amüsierten Blick ging Vashni zur Tür hinüber.

Kapitel 5
    Die Umgebung der Mine roch nach Unrat, kalter Asche und Bergkiefern. Die Dunkelheit war vor nun bald fünf Stunden hereingebrochen, aber es brannten noch immer Feuer an den Eingängen zu den Stollen, am Fuß und auf der Spitze der Klippe, wie glühende Augen in einem schwarzen Gesicht. Feris, der Verwalter des Bergwerks, war von einem Boten unterrichtet worden, der Marikani vorausgeeilt war, und ein kleines Grüppchen erwartete sie draußen am Fuße der Steilwand, dort, wo die Straße sich zwischen Schutthaufen und grauem Staub verlor.
    Es war ein wunderschöner Abend: Die drei Monde tauchten die Landschaft in ein Licht, das die Glimmeradern im Gestein funkeln ließ und die silbrige Oberfläche der Blätter der Rankpflanzen zum Schimmern brachte, die Woche für Woche weiter das einst der Natur verloren gegangene Gebiet rings um die tiefen Wunden zurückeroberten, die in den Fels geschlagen waren. Dennoch war es kalt, und Feris zitterte ebenso wie seine Aufseher trotz seines Wollmantels.
    Marikani ließ sich von einem Lakaien aus dem Wagen helfen und erschauerte selbst. Ihr scharlachrotes Kleid war viel zu dünn für einen Ausflug dieser Art und dem Ort und
den Umständen unangemessen, aber sie hatte sich nicht die Zeit genommen, sich umzuziehen. Sie trat einige Schritte auf die Wartenden zu, sah ihre erstaunten und faszinierten Blicke und zog dann ihren bestickten Seidenumhang um sich, während ihre Satinschuhe auf dem Kies knirschten.
    Feris verneigte sich und berührte beinahe den Boden mit der Stirn, während die Übrigen ein Knie zur Erde beugten.
    »Ayashinata, Euer Besuch ehrt und erleuchtet uns, wir sind Eurer Anwesenheit nicht würdig …«
    »Die Götter sehen Euch mit Freuden, Ayashinata«, murmelten die Aufseher.
    »Erhebt Euch«, sagte Marikani mit einer knappen Geste. »Lasst mich das Bergwerk besichtigen.«
    »Oh ja«, sagte Vashni hinter ihr, »wir können es kaum erwarten, uns die Schuhe schmutzig zu machen! Schließlich habe ich ja auch nur die Hälfte des Jahresgehalts meines Kammermädchens dafür ausgegeben …«
    Vashni nahm es Marikani übel, dass sie ihr nicht die Zeit gelassen hatte, ihre zu ihren Reisekleidern passenden Stiefel aus dunkelgrünem Samt anzuziehen. Doch sie hatte so darauf beharrt, mitkommen zu wollen, dass Marikani sich am Ende hatte überreden lassen. Der Gedanke, einen so exotischen Ort wie eine Sklavenmine aufzusuchen, und das auch noch nachts, war wohl zu verlockend gewesen.
    Hinter ihnen ging schweigend der Hohepriester. Er war der Einzige, der dem Anlass angemessen in zweckmäßige Gewänder aus brauner Wolle und Samt gekleidet war. Nur das schwere,

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