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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Seitenbereiche gefallen, eine der gewaltigen Höhlen, die vom Hauptraum abgingen und die der Verwalter als »Küche« bezeichnet hatte.
    Und sie waren da …
    Frauen, Kinder, Winzlinge, die noch kaum laufen konnten, musterten sie, kamen näher, scharten sich um sie. Wie Insekten zum Licht strebten sie auf diese Erscheinung in scharlachroter Seide zu, die - sogar in ihrem staubbedeckten Zustand - wie ein purpurfarbenes Leuchten in ihrer grauen Welt wirkte. Marikani sah, wie sie mit langsamen Schritten auf sie zutraten, Kindfrauen mit bereits runzligen Gesichtern, die unterernährte Säuglinge an sich pressten, Kinder mit eingesunkenen Augen. Sie starrten sie mit offenem Mund an, sie, die sie geschmeidige, wohlgenährte Gliedmaßen hatte, langes, trotz der Steinbröckchen glänzendes Haar und Farben, Farben, wie sie sie noch nie in ihrem Universum aus Stein, Asche und Schlamm gesehen hatten: magische, verstörende Farben, der Purpur ihres Kleides, das strahlende Orange ihres Gürtels … die Struktur der Seide, die Goldstickereien, die darin eingearbeiteten Korallen.
    »Ayesha«, hauchte eine Frau.
    Die Kinder, die mit ausgestreckter Hand näher gekommen waren, um den Stoff zu berühren, wichen zurück, als sie diesen Namen hörten. Marikani machte einen zögerlichen Schritt, dann noch einen.
    »Ayesha«, wiederholte eine andere Frau mit leuchtenden Augen, während Marikani wie im Traum weiter voranschritt, zwischen zwei Reihen von Frauen und Kindern hindurch, die mit berückten Gesichtern immer wieder murmelten: » Ayesha … Ayesha … «

    Sie ging an Strohsäcken vorbei, die faulig und nach Exkrementen rochen, an Abfallhaufen und Kesseln. Ein kleiner Junge ließ den zerlumpten Rock seiner Mutter lange genug los, um ihr zuzulächeln - es war ein zahnloses, strahlendes, wunderbares Lächeln.
    Ohne zu wissen, warum, streichelte Marikani ihm den Kopf, drehte sich dann um und ertrank in einem Ozean aus Blicken aus blauen und grauen Augen …
    »Was wollt ihr?«, flüsterte sie, ganz leise - aber eine Frau neben ihr hörte sie doch.
    »Ayesha«, wiederholte sie, als sei es ein Appell, eine Bitte. »Ayesha.«
    Außerhalb des Bergwerks hätte Marikani sie wohl auf etwa fünfzig Jahre geschätzt. Hier … Sie mochte fünfundzwanzig sein. Wer hätte schon fünfzig Jahre im Graben überlebt?
    Der Rauch, der unter den Kesseln aufstieg, hüllte die Szene in einen unwirklichen Nebel. Marikani schritt zögernd weiter voran. Träumte sie? Würde sie in ihrem Bett im Palast aufwachen? Sie stand neben sich, als sehe sie sich selbst mit den Augen dieser Frauen, als unwirkliches Wesen: eine gespenstische, in Scharlachrot gehüllte Silhouette mit dunklem Haar und goldbraunen Augen.
    Ja, das war ein Traum. Sie lachte beinahe - sie würde die Augen in ihrem Zimmer aufschlagen, neben der beruhigenden Gestalt Harrakins und seinem Duft nach Gewürzen. Sie würde ihm sagen, dass sie sich vor einigen Augenblicken verfolgt geglaubt hatte … Was für ein Albtraum! Harrakin würde darüber spotten.
    Die Frauen wichen von neuem beiseite, und sie sah sie herankommen - die Angreifer aus den Tunneln, die schweigend auf sie zugingen, seltsame Werkzeuge in der
Hand: ohne Zweifel die Klingen, derer sie sich bedienten, um die Mineralien abzubauen. Das Gefühl der Unwirklichkeit verschwand teilweise. Aber nur teilweise. Das geschieht wirklich , musste sie sich erinnern, sie sind echt und verfol gen mich. Ohne es zu wollen, hatte sie sich in die Höhle des Löwen begeben.
    Sie begann wieder zu laufen, zwischen den erstaunten Frauen und Kindern hindurch, stieß einen Kessel um, wich der trüben, kochenden Flüssigkeit aus und sah, wie eine weitere Gruppe von Sklaven auf sie zukam und ihr den Weg abschnitt. Sie wechselte die Richtung und eilte auf den Höhlenausgang zu, hinaus in den Hauptgraben, und spürte, ohne aufzublicken, das Gefühl riesiger Weite über ihrem Kopf. Und dann rannte sie noch schneller, immer schneller, stieß gegen Bergleute und Vorarbeiter, prallte gegen Karren, stolperte über Loosa-Blöcke und war sich bewusst, dass Rufe rings um sie ertönten, Schmerzensschreie, die sie nicht ausgelöst hatte.
    » Marikani !«, brüllte eine Stimme, und sie blieb gerade noch rechtzeitig stehen, um zu sehen, wie ein an einen Holzkarren geketteter Sklave zusammenbrach; ein Armbrustbolzen steckte in seiner Brust, aus der ein fürchterliches Gurgeln drang, als seine Lunge sich mit Blut füllte.
    Ringsum hagelte es Bolzen und Pfeile, Sklaven stürzten

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