Pakt der Könige
religiösen Delegation bei ihr einzutreffen.
»Euer Ratgeber hat mich mit einigen Soldaten hierhergeschickt, um Euch zu unterrichten, dass die Delegation der Seelenleser eingetroffen ist, Ayashinata«, flüsterte er. »Aber ich fürchte, die Nachricht kommt ein bisschen spät.«
»In der Tat«, erwiderte Marikani leise, den Blick auf Laosimba gerichtet.
»Banh lässt Euch auch ausrichten, dass die Komplizin der aufständischen Sklaven - Menra, die den Hauptmann ermordet hat - gerade auf Euren Befehl zu Tode gefoltert wird. Der Henker hofft, sie noch zwei Tage und zwei Nächte am Leben erhalten zu können, damit ihre Züchtigung zu einem abschreckenden Beispiel gerät.«
Auf Euren Befehl . Die Formulierung durfte man natürlich nicht wörtlich nehmen. »Auf Euren Befehl« hieß einfach, dass das Urteil im Namen der Krone von Banh unterzeichnet worden war. Banh tat nur seine Pflicht, eifrig und treu, wie immer.
Aber die Worte waren zu viel. Diesmal verspürte Marikani weder Unwohlsein noch Verblüffung, nur einen kalten und deshalb umso tödlicheren Zorn, den sie gegen niemanden richten konnte - oder gegen alle und zuallererst gegen sich selbst.
Sie beachtete weder das überraschte Räuspern des Hohepriesters noch Vashni und die Soldaten, sondern stieg wütend die Rampe hinauf, ging ohne ein Wort oder auch nur einen Blick vorbei an Laosimba und der religiösen Delegation auf die Brücke zu, überquerte sie und stieg dann die Treppe empor, während die Soldaten, die ihr begegneten, sich sicher fragten, ob sie ihr folgen sollten oder nicht. Sie nahm den Weg durch das Labyrinth aus Tunneln, auf dem sie vorhin gekommen waren, und verließ das Bergwerk.
Sie hörte, dass jemand hinter ihr her rannte, als sie in ihre Kutsche stieg - der Hohepriester hatte ihr sicher einen Trupp Soldaten nachgeschickt, um sie zu beschützen, und sie malte sich aus, wie er jetzt verlegen nach Argumenten suchte, um ihr Verhalten vor Laosimba zu rechtfertigen. Aber sie wollte kein Gefolge. Sie gab dem Kutscher ihre Befehle, und eine Stunde später traf die Kutsche im Palast ein und fuhr ohne Eskorte auf den Lieferanten vorbehaltenen Hof, wo sie hielt, wie Marikani es befohlen hatte.
Sie stieg aus, raffte ihre staub- und blutbefleckten Röcke und ging mit großen Schritten zu einem Seiteneingang hinüber. Der Wachsoldat dort hob die Hand, um sie zu befragen, bevor er sie erkannte. Unter seinem verblüfften Blick riss sie schwungvoll die Tür auf und betrat die dunklen Gänge dahinter.
Die Folterkammern befanden sich im Untergeschoss des Händlergebäudes, in dem vor dreihundert Jahren Ketzerprozesse abgehalten worden waren. Aber die Könige von Harabec hatten sich nie sehr für religiöse Angelegenheiten begeistern können, und so war die ursprüngliche Verwendung dieser Räume im Laufe der Jahre langsam außer Gebrauch gekommen. Das Gebäude wurde nun von den
Palastverwaltern und Adligen genutzt, um notwendige Einkäufe für das alltägliche Hofleben zu tätigen. Nur einige Symbole, die in den Korridoren eingraviert waren, und ein paar Fresken, die Fîr mit dem Schwert der Gerechtigkeit zeigten, erinnerten noch an den früheren Zweck der Räume.
Marikani betrat den alten Gerichtssaal, der nun verlassen war, und durchquerte ihn, um zur Hintertür zu gelangen. Der Raum lag im Dunkeln. Zorn tobte in ihrem Herzen, als sie die Tür öffnete und die Treppen hinabstieg, die auf einem längst vergessenen Weg in die Kerker führten.
Die Wachen, die den Eingang zwei Stockwerke tiefer bewachten, waren fast eingeschlafen. Sie sprangen auf, als sie die Königin sahen. Marikani ignorierte ihre völlig überraschten Gesichter und ging mit großen Schritten durch die verlassenen Tunnel, an denen eisige, leere Zellen lagen. Dann wurden die Fackeln zahlreicher. Sie erreichte den kleinen Teil der Folterkammern, der noch genutzt wurde, und nachdem sie das Gitter aufgestoßen hatte, betrat sie den Saal der Tausend Tränen.
Es waren nicht viele Leute dort: drei Wachen am Eingang, ein Arrethas-Priester, den Marikani dann und wann im Tempel gesehen hatte, und der Henker.
Und natürlich der gefolterte, bleiche Körper der jungen Sklavin, die angekettet auf dem Tisch lag.
Alle erstarrten bei Marikanis Erscheinen. Sie ging zu dem Henker hinüber und versuchte, die schrecklichen Wunden am Körper seines Opfers nicht anzusehen, den rauen, stoßweisen Atem der Frau zu ignorieren. Man hatte ihr etwas in den Mund gestopft, damit sie nicht schreien konnte. Blut
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