Pakt der Könige
geringsten Anzeichen von Schwäche würde Harrakin sie verachten, und dann würde sie verloren sein.
»Missfällt Euch, was ich getan habe, Eheri Harrakin?« Sie hatte ihn mit seinem einfachen Adelstitel angesprochen, um ihn so an seinen Stand zu erinnern. Er war nur durch sie König - sie war diejenige, die den Thron und die Macht innehatte. Sie ging so zwar das Risiko ein, ihn zu demütigen und ihn noch wütender zu machen, aber auch in dieser Hinsicht glaubte sie ihn zu kennen. »Wenn das der Fall ist, zögert nicht: Reicht doch ebenfalls einen respektvollen Beschwerdebrief ein! Ich werde ihn in den
Stapel auf meinem Schreibtisch legen und ihn zu gegebener Zeit studieren.«
Sie hatte gut gespielt. Ein amüsiertes Funkeln erschien in Harrakins Augen, und unter seiner Wut klang ein zärtlicherer Tonfall durch. »Gute Idee, meine Liebe! Und wisst Ihr, was ich in meinem respektvollen Beschwerdebrief erwähnen werde? Dass ich leide, wenn meine Gattin, die mein Bett teilt, Anfälle von Wahnsinn hat! Wirklich, Cousine - was ist über Euch gekommen?«
Marikani wies auf das Sofa. »Setz dich.«
Harrakin zögerte und gehorchte dann, wohl aus Neugier.
»Offiziell habe ich aus Staatsraison gehandelt. Das werde ich allen sagen. Sollen sie doch glauben, dass die Sklavin eine Spionin war, sollen sie glauben, dass es ein Anschlag eines unserer Feinde war, sollen sie glauben, was sie wollen … Das wird sie beschäftigt halten.«
»Gut«, sagte Harrakin. »Staatsraison. Angelegenheiten der Krone. Einverstanden. Aber was ist die Wahrheit?«
Marikani musterte ihn lange und raffte sich dann auf. Ein Schauer durchlief sie, so, als hätte sie einen Fuß in sehr, sehr kaltes Wasser gesteckt. »Was, glaubst du, hätte ich an ihrer Stelle getan?«
»An wessen Stelle?«
»An Stelle dieser Frau. Menra. Des Mädchens vom Türkisvolk«, erklärte sie, als Harrakin sie anstarrte, ohne zu verstehen. »Der Sklavin. Wenn ich in Ketten in der Küche hätte arbeiten müssen, verdammt zu einem Leben in Knechtschaft, ohne Hoffnung … Glaubst du, dass ich nicht rebelliert hätte? Dass ich nicht auf den Gedanken gekommen wäre, einen meiner Kerkermeister zu verführen und zu ermorden, wenn das einem meiner Brüder hätte helfen können, zu rebellieren?«
»Das ergibt keinen Sinn«, sagte Harrakin nachdenklich mit gerunzelter Stirn. »So kannst du nicht argumentieren.«
»Warum nicht?«
»Weil du eben nicht an ihrer Stelle bist. Weil man nicht bestehen, nicht durchs Leben schreiten, nicht gegen seine Feinde kämpfen kann, wenn man sich in andere hineinversetzt. Glaubst du, dass ich so etwas nicht auch schon auf dem Schlachtfeld gedacht habe? Was wäre, wenn ich an Stelle eines Offiziers der feindlichen Armee wäre, an der eines ihrer Soldaten? Würde ich dann wie sie handeln? Das hat mich nie daran gehindert, sie zu töten. Das Leben stellt uns diesseits einer Grenze auf, und wir müssen gegen diejenigen kämpfen, die jenseits davon sind, das ist alles.«
Marikani lächelte bitter. »Da wirst du vom Hohepriester wieder einmal etwas zu hören bekommen. Du hast nämlich das Hauptargument vergessen.«
»Welches?«
»Die Mitglieder des Türkisvolks sind von den Göttern verflucht. Die göttliche Verdammnis verwehrt ihnen jede Hoffnung auf Änderungen. Ihr Aufstand ist also an sich schon verflucht.«
»Oh ja, auch das«, sagte Harrakin und war sich wohl nicht bewusst, dass sein lässiger Tonfall schon wieder an Blasphemie grenzte. »Aber ich nehme an, dass du, reizende Cousine und Gemahlin, in deinem Wahnsinn ablehnst, das zu bedenken. Denn angesichts deiner Persönlichkeit würdest du dich - verflucht oder nicht - nicht davon abhalten lassen, den Aufstand zu proben, wenn man dich in der Küche anketten würde.«
»Das ist eine exzellente Analyse. Und für diese Blasphemie verdienst du einen Kuss«, sagte Marikani und beugte sich zu ihm hinüber.
»Marikani!«, rief Harrakin lachend. »Wenn du das vor Laosimba sagen würdest, würdest du dir eine zweite Rüge einhandeln.«
Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, den Kuss anzunehmen.
»Sehr gut«, sagte er danach und sprang auf. »Sehr gut! Ich unterstütze dich.«
»Wirklich?«
»Ja. Deine Argumentation ist absurd, aber das ist gleichgültig … Das ist eben eine Laune. Du hast diese Frau aus einer Laune heraus getötet, das genügt mir. Du bist die Königin von Harabec. Du stammst von Arrethas ab, wie ich auch, und wenn wir erst einmal beginnen, uns vom Pöbel diktieren zu lassen,
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