Pakt der Könige
tropfte langsam auf den Tisch.
»Beendet die Prozedur«, sagte sie zu dem Henker, aber sie kannte die Antwort schon.
Der Mann zögerte und wies dann auf den Priester. »Ayashinata … Nun, da das Urteil das Siegel des Arrethas empfangen hat, kann ich nicht …«
Marikani warf dem Arrethas-Priester einen zornigen Blick zu; es gelang ihm nur, einige unverständliche Worte zu stammeln.
»Geht alle«, befahl Marikani daraufhin mit einer knappen Handbewegung. Ein Soldat öffnete den Mund, als wolle er protestieren. »Alle!«
Die drei Wachen und der Priester gingen hinaus, während der Henker zitternd bis an die Wand zurückwich.
»Ayashinata …«, begann er und fiel auf die Knie. »Ihr wisst … Ihr wisst, dass es mir nicht gestattet ist, den Saal der Tausend Tränen zu verlassen, bevor das Urteil vollstreckt ist, denn sonst … sonst wird meine Seele in die Abgründe verschleppt werden und bis in alle Ewigkeit dort bleiben …«
Aber Marikani hatte ihn bereits vergessen. Sie ergriff eine schmale, blutbefleckte Klinge, die auf einem nahen Tisch lag, trat zu der jungen Sklavin und legte ihr die Hand an die Wange. Ein Teil ihrer Gesichtshaut fehlte.
Die junge Frau öffnete die blauen, blutunterlaufenen Augen; dann wurde ihr ganzer Körper von einem Krampf geschüttelt.
»Schlaf gut, Schwester«, flüsterte ihr Marikani ins Ohr.
Dann schnitt sie ihr mit einer raschen Bewegung die Kehle durch.
Die Nacht war schon längst vorüber, die Sonne war aufgegangen, war am Himmel aufgestiegen und hatte bereits wieder zu sinken begonnen, seit Marikani sich in ihren Gemächern eingeschlossen hatte, ohne irgendjemanden sehen zu wollen.
Aber nichts hielt Harrakin auf, das wusste sie seit langem.
Die Außentür wurde gewaltsam aufgebrochen; Marikani hob nicht einmal den Blick. Sie hörte seine zornigen Schritte auf dem Filzteppich; dann wurde auch die Tür des Musikzimmers, in dem sie saß, heftig aufgestoßen.
Erst jetzt hob sie den Kopf mit beherrschtem Blick, um Harrakin mit der hochmütigen Ausdruckslosigkeit zu empfangen, die sie sonst feindlichen Gesandten vorbehielt. Das hieß, wie Harrakin wusste, »keine Verhandlungen« - und wenn sie das ihm gegenüber tat, machte es ihn wütend.
Er blieb vor ihr stehen. Marikani schmiegte sich an die Lehne des Diwans, verschränkte dann mit einem Anflug von Verachtung die Arme und wartete darauf, dass er sprechen würde.
Harrakin musterte sie, die Hände in die Hüften gestemmt, einige Sekunden lang, bevor er in eine hitzige Tirade ausbrach: »Sie sind wütend. Furchtbar wütend! Laosimba erklärt, dass es die Götter beleidigt, wenn man die Seele einer blasphemischen Sklavin davon abhält, die Klüfte des Schmerzes zu durchschreiten, bevor sie in den Schlamm, aus dem sie hervorgekrochen ist, zurückkehrt. Er hat einen Brief an den Großen Tempel geschickt, und anscheinend hat die Krone von Harabec mit einer offiziellen Rüge zu rechnen!« Harrakin machte eine ärgerliche Bewegung. »Die Eltern des ermordeten Hauptmanns sehen diesen Akt als eine persönliche Kränkung. Dass verhindert wurde, dass die Mörderin ihres Sohnes ihre gerechte Strafe erhält, wird es schließlich vor der Welt so aussehen lassen, als träfe ihn eine Mitschuld. Sie haben sich bei seinem Onkel beschwert … Und weißt du, wer sein Onkel ist? Maroun el Vistay persönlich! Er hat für morgen
eine Audienz bei mir verlangt, und ich gehe davon aus, dass es mir verdammt schwerfallen wird, ihn zu überzeugen, weiter den Ausbau des Bewässerungssystems im Süden zu finanzieren.
Ich werde mich vor ihm demütigen müssen: Ich, vor einem Mann, dessen Familie seit kaum drei Generationen adlig ist! Und ich rede gar nicht erst von den Gardesoldaten. Sie wollen morgen einen respektvollen Beschwerdebrief einreichen, um die Erinnerung an ihren Hauptmann wach zu halten. Einen respektvollen Beschwerdebrief! So sehr hat man uns nicht mehr gekränkt seit -«
»Das wird ihnen untersagt werden«, sagte Marikani eisig. »Ich hatte meine Gründe, und die betreffen sie nicht. Ich werde noch heute Abend zu ihnen sprechen. Die, denen meine Handlungsweise missfällt, dürfen gern ihren Abschied nehmen. Das ist mein letztes Wort.«
Harrakin zögerte einen Moment lang und musterte sie. Marikani zuckte nicht mit der Wimper. Sie wusste, was sie tat. Der Mann, den sie vor sich hatte, bewunderte vor allem eines: Charakterstärke. Ihre Verbindung überdauerte nur deshalb, weil ihn die Willenskraft seiner Frau beeindruckte. Beim
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