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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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waren, fehlte noch die dritte Person, der Held, der verführerische Mann mit gebrochenem Herzen, dessen Ergebenheit den Göttern gegenüber man schon seit Jahrhunderten immer wieder gern Beifall zollte.
    Die Freudenschreie wurden lauter, und Harrakin straffte sich, als schlinge er die Anbetung der Menge wie ein Rauschmittel herunter. Er lächelte nicht. Es wäre auch unangemessen gewesen zu lächeln, denn hatte ihm nicht die Eröffnung seiner Gemahlin gerade erst das Herz zerrissen? Nein, seine Rolle erforderte einen Anstrich von Melancholie und Edelmut.
    »Heute Morgen, zwei Stunden vor Mittag«, begann er, »hat sich mein Leben für immer verändert.«
    Lionor warf einen Blick auf Marikani. Die junge Frau starrte noch immer hoch erhobenen Hauptes geradeaus. Sie sah Harrakin kein einziges Mal an.
    Dieser hielt inne, und die Menge drängte ihn, fortzufahren. Alle wussten, was er sagen würde - aber welch ein Vergnügen, ihn anzuhören und hautnah einen der größten Skandale des Jahrhunderts mitzuerleben!
    »Die Frau, die ich geheiratet hatte, die ich für meine Cousine hielt, die Nachfahrin des Arrethas und Erbin des
Königreichs Harabec … Diese Frau hat mir gestanden, in Wahrheit eine Sklavin zu sein - eine Tochter des Türkisvolks!«
    Und da bemerkte Lionor trotz des Geschreis der Menge, trotz der Begeisterung, die die Einwohner von Salmyra aus voller Kehle zum Ausdruck brachten, etwas Besorgniserregendes.
    Die Reaktion der Sklaven.
    Trotz des Aufstands und der Racheakte, zu denen es danach gekommen war, gab es noch Sklaven in Salmyra, die geduckt und fast unsichtbar ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten, die nun umso erdrückender war, weil nicht mehr viele Leute da waren, die sie verrichten konnten. Es gab Sklaven auf den Straßen, in den Gräben und in der Menge …
    Ein kleines blondes Mädchen, das sich von Gruppe zu Gruppe bewegte und bis dahin dem Geschehen auf der Terrasse gegenüber gleichgültig gezeigt hatte, drehte sich plötzlich mit weit aufgerissenen Augen um. Im Blick der Kleinen lag eine Leidenschaft, die einen Moment zuvor noch nicht da gewesen war. Vor einem Karren richteten sich plötzlich zwei daran gekettete, zu menschlichen Zugtieren herabgewürdigte Männer mit verhärmten Gesichtern auf und lauschten mit aufmerksamem Blick. Lionor sah sich um. Weitere Männer und Frauen mit hellem Haar, die ihren Herren die Taschen oder Sonnenschirme trugen, Tore bewachten oder Mauern ausbesserten, hatten innegehalten, aufgeschaut und lauschten ebenfalls. In einer nahe gelegenen Umfriedung befanden sich hinter einem Gitter etwa hundert hellhaarige Gefangene - aufständische Sklaven aus der letzten Nacht, die, an ein gewaltiges Gestell gekettet, auf ihre Hinrichtung warteten.

    Hörten die Einwohner von Salmyra, die in der Menge schrien, dieses Schweigen der Sklaven?
    Irgendetwas regte sich in Lionors Bauch - das Kind, das sich bewegte, die Anspannung, das Entsetzen angesichts dessen, was geschah, oder die Furcht vor der Zukunft?
    Diese Blicke aus Hunderten von blauen Augen … Sie hätten ihr keine Angst machen sollen, aber sie erschreckten sie dennoch.
    Harrakin hatte dort oben nichts gesehen oder gehört - wie hätte er das auch tun sollen? Die Sklaven standen unten im Dreck, während seine Füße auf Marmor ruhten. Bis zu ihm stiegen nur die Stimmen der freien Menschen auf.
    »Entsetzen packte mich«, fuhr er fort, und die Menge erschauerte vor Mitgefühl. »Trotz meines Kummers konnte ich nur eines tun: die Wachen rufen! Die Liebe, die ich derjenigen, die mein Ein und Alles gewesen war, entgegengebracht hatte, war verraten, durch ihre Lüge mit Füßen getreten! Die Seelenleser hinzuzuziehen war die einzige Möglichkeit, diese fürchterliche Blasphemie im Namen der Götter zu rächen!«
    »… und im Handumdrehen König von Harabec zu werden!«, rief irgendjemand.
    Rings um Lionor lachten ein paar Leute, aber die Stimme des Witzbolds hatte nicht weit getragen.
    »Sie hat mir alles erklärt«, fuhr Harrakin fort. »Der Austausch war in ihrer Kindheit vorgenommen worden: Sie hatte den Platz der wahren Prinzessin eingenommen, die im Zuge einer Seuche gestorben war. Denkt Euch die schwarze Wunde, die den Stickereien der Schicksalsfäden geschlagen wurde, als dieses verfluchte Mädchen in einer Stellung aufwuchs, die einer Nachfahrin des Arrethas zugekommen
wäre - stellt Euch vor, wie das Böse im Herzen der Königreiche sein Spinnennetz knüpfte!«
    Das klingt ganz und gar nicht nach Harrakins üblicher

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