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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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ihn zugerannt.
    »Was geht hier vor?«, fragte Harrakin knapp. »Sind es die Meriniden? Ich dachte, die Mauern wären sicher?«
    »Wir wissen noch nichts Genaues«, sagte der Leutnant. »Es hat im Norden einen Angriff gegeben. Ich weiß nicht, ob es wirklich die Meriniden sind.«
    »Warum sind die Shi-Âr nicht gewarnt worden? Wer führt hier den Oberbefehl?«
    Der Leutnant stammelte etwas über die Nomadenhäuptlinge, die Faynas und die unterschiedlichen Hierarchien im Verteidigungsbündnis; er fügte hinzu, dass die Patrouillen dank des Sklavenaufstands völlig in Unordnung geraten wären.
    »Dennoch kann ja wohl kaum eine ganze Armee einen Überraschungsangriff auf die Stadt geführt haben«, sagte Harrakin zornig. »Schickt mir dreißig Mann. Ich werde nachsehen, was da vorgeht.«
    Eine halbe Stunde später stiegen die Soldaten aus Harabec
auf die Stadtmauer, und Harrakin besprach die Lage mit dem jüngeren Bruder Louarn. Wie gewöhnlich war die Panik von einer Mischung aus Wirklichkeit und Hirngespinsten ausgelöst worden. Es war tatsächlich zu einem Angriff gekommen, aber es waren nur fünfzig Feinde gewesen, die auch gleich abgewehrt worden waren. Die diensthabenden Offiziere hatten es nicht für nötig gehalten, die Shi-Âr wegen solch einer Kleinigkeit zu belästigen. Harrakin, der mit den militärischen Problemen in der Gegend kaum vertraut war, verstand zunächst nicht, warum Louarn so bestürzt dreinblickte, als sie von der Mauer stiegen, um die Leichen in Augenschein zu nehmen.
    »Es sind wirklich Meriniden«, sagte Louarn und sah Harrakin an.
    Harrakin erwiderte seinen Blick verständnislos. »Na und? Ihr habt sie abgewehrt.«
    »Ich hatte gehofft, es wären nur Banditen gewesen …«
    Seine Stimme war ausdruckslos, und das erschreckte Harrakin. Er kannte sich mit Soldaten aus. Sie regten sich nicht grundlos auf.
    »Und?«
    Louarn sah ihn einen Moment lang starr an, bevor er antwortete. »Es dürften gar keine Meriniden bis zur Stadt vordringen«, erklärte er. »Akas und seine Nomaden versperren ihnen im Engpass den Weg.«
    Harrakin betrachtete das wettergegerbte Gesicht des Leichnams, der vor ihnen lag, den mit Zinnfäden bestickten Waffenrock und die klingenförmige Tätowierung am Hals des Toten. »Anscheinend haben sie die hier nicht aufgehalten«, sagte er schlicht.
    »Dann ist Akas gefallen. Und der Engpass mit ihm. Er hat um Verstärkung ersucht, aber die Shi-Âr glaubten …«
    Er brach angewidert ab, und wieder schloss Harrakin nur aus seinem Gesichtsausdruck, dass diese Information wichtig war. Er wartete.
    »Jetzt steht den Meriniden nichts mehr im Weg«, fuhr Louarn langsam fort. »Sie werden herkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Nichts wird sie aufhalten.«
    »Wie viele sind es?«, fragte Harrakin.
    Louarn zuckte mit den Schultern. »Ein ganzes Volk …«
    Die Abenddämmerung senkte sich langsam über die Wüste. Harrakin richtete sich auf und betrachtete den Sand. Das Blau des Himmels wurde über den leeren, funkelnden Weiten immer dunkler. In der Ferne war nichts zu sehen. Die Landschaft war großartig, anrührend, wunderbar.
    Einen kurzen Moment lang dachte Harrakin an Marikani. Sie liebte Landschaften so sehr … Zweimal im Jahr reiste sie durch ganz Harabec, angeblich, um die Provinzbewohner aufzusuchen, aber in Wahrheit - so hatte er zumindest stets vermutet - zum Vergnügen, um den Anblick der Hügel, Hochebenen und Berge des Landes zu genießen, um frei von den Zwängen des Hofes in der Morgen- und Abenddämmerung spazieren zu gehen und das Farbenspiel zu bewundern …
    Der Gedanke ließ Harrakin weder Melancholie und Reue noch Hass empfinden. Er war Marikani nicht böse. Er erinnerte sich an das, was sie ihm früher einmal im Palast gesagt hatte, und unterdrückte ein Lächeln. An ihrer Stelle hätte er nicht anders gehandelt. Wäre er ein junger Sklave gewesen, dem ein Hauslehrer vorgeschlagen hätte, den Platz eines adligen Jungen einzunehmen, hätte er die Gelegenheit ergriffen. Wer hätte das schon abgelehnt?
    Aber auch jetzt hatte er auf die einzig mögliche Weise
gehandelt, und - so dachte er mit einer gewissen Ironie - Marikani hätte das Gleiche getan. Er war sicher, dass sie verstand. Solch eine Gelegenheit, die Krone an sich zu bringen, und das auch noch zu Recht … Wer hätte das schon abgelehnt?
    Und was hatte sie eigentlich erwartet? Er konnte keine Kinder mit einer Sklavin zeugen. Das Blut der Götter wäre davon besudelt worden, die ganze Königsdynastie

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