Pakt des Bosen
er zu lange im Geschäft. Ãber die Hälfte seiner mittlerweile dreiunddreiÃig Jahre als Journalist, hatte Wagner im Ausland verbracht. Zuletzt hatte er das amerikanische Büro in Washington geleitet. Wagner war ein echter alter Hase, der im Laufe seiner Karriere viele Politiker hatte kommen und gehen sehen, darunter auch viele Bundeskanzler. Kaum einer hatte markante, zukunftsweisende Spuren hinterlassen. Er musste in letzter Zeit oft an eine Talkshow denken, deren Gast er gewesen war. Unter den anderen Teilnehmern war auch ein damals vollkommen unbekannter Innensenator aus Hamburg gewesen â Jan Philip Gerling. Wagner schmunzelte bei dem Gedanken, wie Gerling den damaligen Innenminister Schulz vor laufender Kamera platt gemacht hatte. Grandios war das gewesen, einfach grandios. Damals hatte Wagner noch nichts von den Plänen Albrechts und Webers gewusst. Erst später, als Albrecht schon tot war, hatte er ein wenig mehr erfahren. Typisch Albrecht, dachte Wagner. Dann hatten sich damals die Ereignisse überschlagen, und je mehr er über Gerling erfuhr, desto gröÃer wurde sein Respekt vor ihm.
Als dann herausgekommen war, dass eine Naziorganisation alle demokratischen Parteien Deutschlands infiltriert hatte, war Gerling über sich hinausgewachsen, indem er diese Information eben nicht dazu benutzt hatte, alle Gegner in der eigenen und den anderen Parteien zu vernichten, sondern er hatte für eine lückenlose, öffentliche Aufklärung gesorgt. Damals wurde Wagner klar, dass hier ein auÃergewöhnlicher Mann nach oben strebte. Ein Kanzler, wie ihn dieses Land dringend brauchte. Deshalb fand Rosenthal bei ihm ein offenes Ohr und deshalb lieà Wagner sich entgegen seiner eigenen Prinzipien einspannen.
âHerr Weberâ, begann Wagner das Gespräch, das live und zur besten Sendezeit von einem Millionenpublikum gesehen wurde. âSie waren lange Zeit in der Versenkung verschwunden, nachdem Bundeskanzler Gerling Sie Ihres Amtes als Parteivorsitzender enthoben hatte. Was genau ist der Grund für Ihr Comeback?â
Weber beugte sich etwas vor und blickte in die Kamera.
âUnser Land steckt nach wie vor in einer Krise. Als wäre das nicht schon schlimm genug, tauchen jetzt auch noch Beweise auf, die eindeutig belegen, dass Bundeskanzler Gerling direkt oder indirekt, das spielt bei dem Tatbestand nun wirklich keine Rolle, den Befehl gegeben hat, Foltermethoden einzusetzen.â
Er machte eine Pause, um die Worte wirken zu lassen.
âSchauen Sie, der Bundeskanzler ist noch jung und unerfahren. Er kann diesem Druck gar nicht standhalten. Und ich will ja gar nicht leugnen, dass er an der Rettung dieser Kinder am Rande beteiligt war. Aber heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Sind wir in diesem Rechtsstaat wirklich schon so weit, dass Folter und Scheinhinrichtungen legitimiert werden?â
Unschuldig und gleichzeitig betroffen sah Weber in die Kamera. Eine mimische GroÃleistung, stellte Wagner fest.
âDer Bundeskanzler hat schwerwiegende Fehler gemacht. Er hat die im Grundgesetz verankerten Rechte eines Journalisten verletzt und er hat seinen Eid, dieses Land vor Schaden zu bewahren, gebrochen.â Bedauernd schüttelte Weber den Kopf. Er machte den Eindruck, als fiele es ihm wirklich schwer, Gerling diese Vorwürfe machen zu müssen. âSo leid es mir tut, aber ich muss es so deutlich sagen: Er ist nicht in der Lage, dieses Land zu regieren. Und bei seinen Verfehlungen ist er auch nicht mehr dazu berechtigt!â
Berlin, 29. August, 21.50 Uhr
Gemeinsam mit Kanzleramtsminister Huber und dem Sicherheitsberater Kirchner schaute sich Werner Rosenthal die Livesendung an. Er hatte die beiden nicht über das informiert, was noch folgen würde. Deshalb waren die beiden sehr irritiert, dass der Innenminister trotz der schweren Vorwürfe, die gegen den Kanzler erhoben wurden, eine heitere Miene aufgesetzt hatte.
Wenige Kilometer entfernt hatte auch der Graf den Fernseher eingeschaltet. Auch er hatte einen amüsierten Gesichtsausdruck.
Berlin, 29. August, 21.59 Uhr
Weber erklärte gerade in der ihm ureigensten Schulmeistermethode, was die von ihm neu gegründete Partei UAP für eine Bereicherung für Deutschland war, als Wagner sich entschied, den ersten Schuss abzufeuern.
âHerr Weber, mir liegen Informationen vor, nach denen Sie dem ehemaligen Sicherheitsberater des Kanzlers fünfzigtausend Euro dafür gezahlt haben,
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