Pakt mit dem Feind
Stuhl in die Hocke ging.
“Max! Oh, dem Himmel sei Dank, du bist hier!”, schluchzte sie. Mit ihren knochigen alten Fingern klammerte sie sich an ihn, als wäre er ein Wunderheiler.
Er hob eine von Altersflecken gezeichnete Hand hoch und küsste sie.
Elizabeths Tante begegnete seinem ruhigen Blick, und ihre hellblauen Augen füllten sich erneut mit Tränen. Gewöhnlich sah Talitha immer gepflegt aus und hielt sich so majestätisch wie eine Königin. Aber in diesem Augenblick wirkte sie wie besiegt. In ihren Augen lag unendliche Müdigkeit. Innerhalb weniger Stunden schien sie um Jahre gealtert zu sein; Angst und Schmerz hatten die Falten in ihrem Gesicht vertieft.
An der nachlässigen Art, mit der sie ihre Zöpfe auf dem Kopf zu einem Krönchen gesteckt hatte, konnte man erkennen, dass sie aus tiefem Schlaf gerissen worden war. Etliche dünne Strähnen waren ihr entschlüpft und fielen um ihr Gesicht.
Sie klammerte sich an seine Hände. “Oh Max. Er hat auf sie geschossen. Irgendein fremder Mann hat sie …” Sie brach ab, ihr Kinn zitterte. “In den Kopf geschossen.”
“Was?” Max fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Rammbock in den Magen gestoßen. Er wusste zwar, dass seine Frau angeschossen worden war. Aber über die Art und Schwere ihrer Verletzungen wusste er nichts.
Talitha war so benommen von ihrer eigenen Trauer, dass sie Max’ Schock gar nicht bemerkte.
“Warum, Max? Warum? Wer kann unserer Elizabeth so etwas nur angetan haben? Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn …”
“Nein. Sag das nicht. Das wird nicht passieren. Das darf nicht sein.” Max richtete sich auf und schaute die anderen an. “Hat man euch irgendetwas Näheres über ihren Zustand gesagt?”
Talitha betupfte ihre Augen. Von Kummer überwältigt, konnte sie nicht sprechen.
Dooley schaute die anderen an, aber niemand schien geneigt, Max’ Frage zu beantworten. Dooley räusperte sich. “Nun, Sir, der Arzt ist vor einer Weile zurückgekommen. Er sagte, dass sie … äh …” Er kratzte sich am Hinterkopf. Dann blickte er seine Frau an. “Was hat er noch mal genau gesagt?”
“Er sagte, dass sie Anlass zu vorsichtigem Optimismus haben”, beendete Gladys den Satz für ihren Mann.
“Was ist mit dem Baby?”
“Das Gleiche. Vorsichtiger Optimismus.”
“Das ist nicht genug. Wo ist sie? Ich will sie sehen.”
“Sie liegt gleich auf der anderen Seite des Flurs, im ersten Abteil, wo die Vorhänge zugezogen sind. Aber warte, Junge”, bat Iona und hielt ihn am Arm fest. “Das hier ist die Intensivstation. Die Besuchszeiten sind auf zehn Minuten alle vier Stunden beschränkt. Und auch dann darf immer nur eine einzelne Person zu ihr.”
“Zur Hölle damit.”
Max durchquerte den Flur und betrat das angegebene Zimmer. Die anderen eilten ihm nach und drängten sich vor der offenen Tür.
Die überraschte Krankenschwester, die neben Elizabeths Bett stand, blickte auf und sagte: “Es tut mir leid, Sir. Sie müssen wieder gehen.”
Max ignorierte sie und trat zu Elizabeth.
“Sir? Haben Sie mich gehört?” Die Krankenschwester schickte sich an, um das Bett herumzukommen. Mit den Händen versuchte sie ihn wegzuscheuchen und sagte mit befehlsgewohnter Stimme: “Es tut mir leid, Sir, aber Sie müssen gehen. Besuchszeit ist erst wieder in zwei Stunden. Und dann immer nur jeweils eine Person …”
“Gut. Dann gehen Sie. Weil ich nämlich verdammt noch mal hierbleibe.” Max packte die Frau am Oberarm und bugsierte sie aus dem Zimmer. An der Tür traten die anderen zurück, um ihr Platz zu machen.
Die Frau schnaubte empört und strich ihre Schwesterntracht glatt, als er sie losließ. “Nun. Das werden wir noch sehen.”
Mimi packte die Gelegenheit beim Schopf und schlüpfte ins Zimmer. Von innen zog sie die Rollos an den großen Scheiben hoch, damit die anderen auch etwas sehen konnten.
Max hatte die Krankenschwester bereits vergessen und kehrte an Elizabeths Seite zurück.
“Elizabeth?” Er beugte sich über sie und ergriff ihre Hand – überaus vorsichtig, um ihr nicht wehzutun. Erschrocken bemerkte er, wie bleich sie war. Sie trug einen dicken Verband um die rechte Schulter, und auch ihr Kopf war verbunden. Max konnte nicht erkennen, wie viel man von ihrem schönen Haar abgeschnitten hatte.
Wie gewöhnlich reagierte Max mit Schroffheit auf die Angst, die ihn bei lebendigem Leib zu verschlingen drohte.
“Elizabeth? Elizabeth, wach auf. Hörst du mich? Hier ist Max. Wach auf. Und zwar jetzt,
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