Pakt mit dem Feind
Minute später kam sie wieder zum Vorschein. Sie trug den erstbesten Mantel, der ihr in die Finger gekommen war: den langen Zobel. Ihre Tasche hielt sie an sich gedrückt. Gerade in diesem Moment schoben die Rettungssanitäter Elizabeth auf der Trage in den Krankenwagen.
Mimi blieb wie angewurzelt stehen und presste die Hand auf den Mund, um nicht zu weinen. Elizabeth hatte einen Verband an der Schläfe, einen weiteren um die Schulter, einen Sauerstoffschlauch in der Nase und einen Tropf im Arm. In ihrem Gesicht war nicht mehr Farbe als in dem weißen Krankenhauslaken. Sie war so regungslos, als ob sie tot wäre.
“Kommen Sie schon, Miss Mimi”, sagte Dooley und legte ihr die Hand auf die Schulter. “Sie dürfen jetzt nicht aufgeben. Miss Elizabeth braucht Ihre Stärke.”
“Er hat recht, Miss”, sagte Gladys. “Kommen Sie mit. Ich bringe das Kätzchen rein und schließe überall ab. Dann können wir los. Auf geht’s.”
Die beiden drängten sie, sich ihnen anzuschließen, aber Mimi zögerte. Sie schaute den Rettungssanitäter mit einem flehenden Blick an. “Wird … wird sie es schaffen?”
Der Mann erwiderte ihren Blick mit einem Gesichtsausdruck, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. “Das kann ich nicht sagen, Ma’am”, antwortete er. “Wir haben sie stabilisiert. Jetzt liegt es bei den Ärzten, sie zu retten.”
Verzweifelt folgte sie Dooleys und Gladys’ Ermahnung und trat zurück. Der Sanitäter kletterte hinten in den Krankenwagen.
Augenblicke später setzte sich die Karawane aus Polizeiautos, Krankenwagen und Mimis schnellem kleinen roten Sportwagen in Bewegung. Polizeiwagen mit Blaulicht standen am Straßenrand, während Polizeibedienstete dabei waren, den Tatort weiträumig mit gelbem Absperrband zu sichern. Überall in der Nachbarschaft sammelten sich Leute in Schlafanzug und Nachthemd und standen herum, um das Spektakel zu bestaunen.
Dooley, der von allen dreien noch am ruhigsten war, fuhr Mimis Auto. Fluchend kramte Mimi, die auf dem Beifahrersitz saß, in ihrer geräumigen Umhängetasche herum.
“Herrgott im Himmel, Mädchen, wonach suchen Sie denn in diesem Ungetüm?”, fragte Dooley.
“Mein Handy. Warum kann ich das verdammte Ding niemals finden, wenn ich es brauche?”
“Es steckt doch genau vor Ihrer Nase. In der Außentasche”, meldete Gladys sich vom engen Rücksitz aus. “Und können wir nicht ein bisschen schneller fahren?”
“Das Polizeiauto vorn hat die Sirene an, genau wie der Krankenwagen. Ihr Frauen müsst euch jetzt ein bisschen beruhigen. Wenn ihr die Nerven verliert, hilft das Miss Elizabeth auch nicht weiter.”
Mimi drückte die Schnellwahltaste auf ihrem Telefon und horchte ungeduldig, während sie die Pieptöne am anderen Ende der Leitung zählte.
“Ja?”, antwortete eine verschlafene Stimme am anderen Ende.
“Max, hier ist Mimi.”
19. KAPITEL
“W ie geht es ihr?”, wollte Max wissen, sobald er in den Warteraum der Intensivstation stürzte.
Er sah mit einem Blick, dass alle versammelt waren, sogar Elizabeths Cousin und Cousine sowie die Angestellten von beiden Häusern. Alle, sogar Camille, hatten rot geweinte Augen. Am schrecklichsten aber war der Anblick von Gladys und Mimi mit ihren blutverschmierten Kleidern. Elizabeths Blut.
Max’ Angst stieg ins Unermessliche. Sie war doch nicht …? Sie konnte doch nicht …? Nein. Nein!
“Verdammt, kann keiner von euch hören?”, schrie er. “Ich will wissen, wo meine Frau ist und wie es ihr geht. Jemand soll mir erklären, was los ist. Und zwar auf der Stelle.”
Iona ging zu ihrem Sohn und fasste ihn am Ärmel. “Sie lebt noch, Junge. Aber …”
“Aber was?”, wollte er wissen.
“Sie ist … sie hat das Bewusstsein nicht wiedererlangt, seit sie angeschossen wurde.”
“Oh Gott.” Max fuhr sich mit zitternder Hand durch sein bereits zerzaustes Haar. “Ich muss sie sehen.”
“Ich weiß, Junge. Ich weiß. Ich zeige dir, wo sie liegt, aber zuerst …” Seine Mutter deutete mit dem Kopf auf Talitha. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. “Die ganze Geschichte hat sie furchtbar mitgenommen”, flüsterte Iona. “Du weißt doch, wie sehr sie das Mädchen liebt.”
“Ja.” Max wollte Elizabeth sehen. Berühren. Ihren süßen, weiblichen Duft genießen. Ihren Atem auf seiner Haut spüren. Er atmete tief ein und rief sich in Erinnerung, dass sie anderen Menschen auch wichtig war.
Talitha war so verzweifelt, dass sie ihn gar nicht zu bemerken schien, bis er vor ihrem
Weitere Kostenlose Bücher