Paladin der Seelen
Sitzen so tief, wie sein Bauch es zuließ. »Wann brechen wir auf?«
»Morgen«, kündigte Ista an.
Rund um den Tisch erhoben sich die Stimmen im Chor. Einwände wurden vorgebracht; Personen wurden aufgezählt, die nicht anwesend waren – Kammerfräulein, deren Zofen und Pferdeknechte; fehlende Garderobe, Ausrüstung, Reit– und Packtiere kamen zur Sprache sowie die bewaffnete Begleitung, die der Herzog von Baocia zur Verfügung stellen sollte, die aber noch nicht eingetroffen waren.
»Ihr habt ja alle Recht!« Ista erhob die Stimme, um das Geplapper zu übertönen, und tatsächlich setzte wohltuende Stille ein. »Ich bin nicht mehr die Jüngste«, fuhr sie fort, »nicht die Kräftigste und nicht die Tapferste, und ich weiß auch nichts über die Unbilden einer solchen Reise. Also werde ich dafür sorgen, dass mir all diese Eigenschaften zu Gebote stehen: Ich werde Liss mitnehmen, die Botin der Kanzlei, als Zofe und Reitknecht zugleich. Kein weiteres persönliches Gefolge. Das spart uns schon mal drei Dutzend Maultiere.«
Liss hätte beinahe den Bissen wieder ausgespuckt, auf dem sie gerade kaute.
»Aber sie ist nur eine Botin!«, stieß Lady dy Hueltar hervor.
»Ich kann Euch versichern, Kanzler dy Cazaril wird sie mir nicht missgönnen. Ein Kurier muss stets bereit sein, dorthin zu reiten, wohin man ihn befiehlt. Was sagst du dazu, Liss?«
Liss starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an, schaffte es endlich, zu schlucken, und brachte hervor: »Ich … ich tauge mehr zum Reitknecht denn als Zofe, Majestät, aber ich werde mein Bestes versuchen.«
»Gut. Mehr kann niemand verlangen.«
»Ihr seid die Witwe des Königs von Chalion!« Dy Ferrej jammerte beinahe. »Ihr könnt doch nicht ganz ohne Förmlichkeiten durchs Land reisen!«
»Ich wollte in aller Demut eine Pilgerfahrt machen, dy Ferrej, keinen Triumphzug veranstalten. Andererseits … wenn ich nun keine Königin wäre? Nehmen wir einmal an, ich wäre eine gewöhnliche Witwe aus gutem Hause. Was würde ich an Bediensteten mitnehmen? Welche Vorsichtsmaßnahmen wären sinnvoll?«
»Ihr wollt also unerkannt reisen?« Dy Cabon wusste sofort, worauf sie hinauswollte, während die anderen weiterhin Einwände vorbrachten und gar nicht merkten, dass ihre Worte ins Leere liefen. »Das würde Euch gewiss einige Ablenkung ersparen, und Ihr könntet Euch leichter auf das spirituelle Anliegen Eurer Reise konzentrieren, Majestät. Ich nehme an … eine solche Dame würde einfach nur die Kirche um die übliche Eskorte bitten, und die Kirche würde der Bitte nachkommen, mit den Berittenen, die gerade verfügbar sind.«
»Gut. Dafür ist bereits gesorgt. Ferda, können Eure Leute morgen aufbrechen?«
Dy Guras schlichte Antwort beendete das lautstarke Wirrwarr der Einwände. »Gewiss, Majestät«, sagte er. »Wie Ihr befehlt.«
Erschrockenes Schweigen setzte ein. Erstaunen und Nachdenklichkeit spiegelten sich auf einigen Gesichtern.
Ista lehnte sich zurück, und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen.
»Ich muss mir Gedanken über einen geeigneten Namen machen«, sagte sie schließlich. »Weder dy Chalion noch dy Baocia kommen in Frage. Beide sind ein wenig zu auffällig.« Dy Hueltar? Ista erschauerte. Nein. Im Geiste ging sie eine Liste weitläufiger Verwandter der Herzöge von Baocia durch. »Dy Ajelo würde passen.« Sie hatte kaum jemals ein Mitglied der Familie Ajelo gesehen, und diese hatte auch niemals eine Zofe Itas gestellt. Sie hegte keinen Groll gegen diesen Namen. »Doch ich werde weiterhin als Ista auftreten. Der Name ist nicht so ungewöhnlich, dass er Aufsehen erregen würde.«
Der Geistliche räusperte sich. »Wir werden uns heute Abend noch zusammensetzen müssen. Ich weiß nicht, welche Strecke ich für Euch auswählen soll. Eine Pilgerfahrt sollte einem spirituellen Reiseweg folgen, dessen Stationen aber nicht der Bequemlichkeit und Schnelligkeit der Reise im Wege stehen sollten.«
Ista hatte sich bisher weder über das eine noch über das andere Gedanken gemacht. Und wenn das nicht geschah, würde man ihr einen Reiseweg aufzwingen. Vorsichtig fragte sie: »Wohin führt Ihr die Pilger normalerweise, dy Cabon?«
»Nun, das hängt sehr vom Anlass der Fahrt ab.«
»Ich habe Karten in meinen Satteltaschen, die vielleicht die eine oder andere Eingebung bringen könnten. Ich hole sie, wenn Ihr wünscht«, bot Ferda an.
»Ja«, erwiderte der Geistliche dankbar. »Das wäre überaus hilfreich.«
Ferda eilte aus dem Speisesaal. Draußen neigte
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