Paladin der Seelen
dass alle Anwesenden ihn anstarrten.
Sein Lächeln wurde unsicher. »Guten Abend, edle Damen, edle Herren. Ich wurde aufgefordert, der La dy dy Hueltar meine Aufwartung zu machen. Es ging um eine Pilgerreise, für die noch ein Geistlicher gesucht wurde …«
Lady dy Hueltar fand ihre Sprache wieder. »Ich bin Lady dy Hueltar. Soweit ich unterrichtet bin, wollte der Tempel eine Heilkundige der Mutter schicken, die Geistliche Tovia. Wer seid Ihr?«
Ista hörte deutlich heraus, dass Lady dy Hueltar nur mit größter Mühe eine unhöflichere Betonung der Frage unterdrücken konnte: Wer seid Ihr?
»Oh …« Er verneigte sich kurz. »Der Geistliche Chivar dy Cabon, zu Euren Diensten.«
Nun, immerhin konnte er mit einem angesehenen Namen aufwarten. Er blickte zu Ista und Ser dy Fer rej. Auch er erkannte sie wieder, stellte Ista fest, und war ebenso überrascht wie sie.
»Und wo ist Hochwürden Tovia?«, fragte Lady dy Hueltar verwundert.
»Soviel ich weiß, hat sie die Stadt verlassen. Ihre ärztlichen Fertigkeiten wurden verlangt, in einem schwierigen Fall in einiger Entfernung von Valenda.« Sein Lächeln wurde noch unsicherer.
»Dann heiße ich Euch willkommen, Hochwürden dy Cabon«, sagte Ista nachdrücklich.
Dy Ferrej erinnerte sich an seine Pflichten: »Ja. gewiss. Ich bin dy Ferrej, der Majordomus der Burg, und dies ist die Königinwitwe Ista …«
Dy Cabon kniff die Augen zusammen und muster te Ista eindringlich. »Tatsächlich …«, flüsterte er.
Dy Ferrej bekam nichts davon mit oder beachtete es nicht. In der Reihenfolge ihres Ranges stellte er die dy-Gura-Brüder sowie die anwesenden Damen vor, und zuletzt, ein wenig zögernd: »Liss, eine Botin der Kanzlei.«
Dy Cabon verbeugte sich gleichermaßen unbeschwert vor allen Anwesenden.
»Aber so geht das doch nicht … Da muss ein Irrtum vorliegen, Hochwürden«, fuhr Lady dy Hueltar fort und warf Ista einen flehenden Blick von der Seite zu. »Es ist die Königinwitwe persönlich, die zu einer Pilgerfahrt aufbrechen und die Götter um einen Enkel bitten möchte. Ihr seid nicht … das ist nicht … wir wissen nicht … ob ein Geistlicher aus der Kirche des Bastards, noch dazu ein Mann, tatsächlich die am besten geeignete, äh, Person …« Sie verstummte in der Hoffnung, dass jemand sie aus der Klemme befreite, in die sie selbst sich manövriert hatte.
Ista lächelte innerlich.
Weich wie Seide merkte sie an: »Irrtum oder nicht, es ist Zeit zum Abendessen. Wenn Ihr heute Abend unseren Tisch mit Eurer Gelehrsamkeit segnen würdet, Hochwürden, und unser Tischgebet anleiten wollt …?«
Seine Miene hellte sich auf. »Es wäre mir eine Ehre, Majestät.«
Ista wies ihm einen Stuhl an, und er setzte sich, lä chelnd und blinzelnd. Erwartungsvoll schaute er zu dem Dienstboten, der ein Becken mit lavendelduftendem Wasser zum Händewaschen herumreichte. Mit wohlgesetzten Worten und wohlklingender Stimme segnete dy Cabon die Speisen. Was immer er sonst sein mochte, ein Bauerntrampel war er nicht. Dann machte er sich mit gesegnetem Appetit über die Mahlzeit her. Hätte der Koch der Herzogin es beobachten können – ihm wäre das Herz aufgegangen nach all den Jahren im Dienste gleichgültiger, älterer Herrschaften. Nur Foix konnte da ohne sichtbare Mühe mithalten.
»Seid Ihr ein Angehöriger jener Familie Cabon, die mit dem derzeitigen Großmeister des Ritterordens der Tochter verwandt ist, mit dy Yarrin?«, fragte Lady dy Hueltar höflich.
»Ich nehme an, ich bin so etwas wie ein Cousin dritten oder vierten Grades von ihm, verehrte Dame«, erwiderte der Geistliche, nachdem er einen weiteren Bissen verschlungen hatte. »Mein Vater war Ser Odlin dy Cabon.«
Die beiden dy-Gura-Brüder blickten interessiert auf.
»Oh«, warf Ista überrascht ein. »Ich glaube, ich bin ihm vor vielen Jahren am Hof von Cardegoss begegnet.« Unser fetter Cabon, hatte der König ihn leutselig genannt. Doch in der verhängnisvollen Schlacht von Dalus war er so tapfer gestorben wie jeder schlanke und ranke Edelmann. Ista zögerte einen Augenblick; dann fügte sie hinzu: »Ihr seht ihm ähnlich.«
Der Geistliche nickte in offensichtlicher Freude. »Das höre ich gern.«
Ein Anflug von Übermut bewog Ista, die Frage auszusprechen, die ganz gewiss keiner der anderen Anwesenden zu stellen wagte: »Seid Ihr ein Sohn der Lady dy Cabon?«
Der Geistliche zwinkerte ihr über das Fleischstück auf seiner Gabel hinweg zu. »Leider nein. Doch mein Vater fand trotzdem ein wenig
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