Paladin der Seelen
abwägen müssen wie irgendeine zweifelhafte Münze«, entgegnete dy Cabon vergnügt, von ihrem flüchtigen Lächeln ermuntert. »Wir können ruhig beides tun und Fülle mit Fülle vergelten.« Der Geistliche ließ Zeige– und Mittelfinger wie Beine von Valenda nach Palma über die Karte wandern und weiter zu dem Ort, auf den Ferda gezeigt hatte. Er zögerte und drehte seine Hand ein weiteres Mal in eine andere Richtung. »Und wenn wir früh genug aufstehen, erreichen wir von dort nach einem weiteren Tagesritt Casilchas. Ein verschlafenes kleines Nest, doch meine Kirche unterhält dort eine Akademie. Einige meiner früheren Lehrer arbeiten immer noch dort. Die Akademie verfügt über eine ausgezeichnete Bibliothek, zumindest für eine Einrichtung dieser Größe. Viele Geistliche, die dort unterrichtet haben, hinterließen nach ihrem Tod ihre Bücher. Bedenkt man an den Zweck unserer Pilgerfahrt, ist ein Priesterseminar des Bastards sicher kein Ort, an den man Station machen würde. Aber ich muss gestehen, dass ich diese Bibliothek gern zurate ziehen würde.«
Ista fragte sich, ob dieses Seminar auch über einen guten Koch verfügte. Sie stützte das Kinn auf die Hand und musterte den beleibten jungen Mann, der ihr gegenübersaß. Wie war man im Tempel zu Valenda bloß auf die Idee gekommen, ihn zu ihr zu schicken? Seine halbwegs adlige Abkunft? Wohl kaum. Aber erfahrene Pilgerführer hatten gewiss schon sämtliche spirituellen Schlachtpläne ihrer Zöglinge im Voraus ausgearbeitet. Ohne Zweifel gab es sogar Bücher mit erbaulichen Belehrungen zu diesem Thema. Das war es vielleicht, was dy Cabon sich von der Bibliothek erhoffte: eine genaue Anleitung, die ihm verriet, wie er die weitere Reise gestalten sollte. Vielleicht hatte er zu viele geistliche Lehrstunden damals in Casilchas verschlafen.
»Gut«, befand Ista. »Die Gastfreundschaft der Tochter in den beiden ersten Nächten, und danach die des Bastards.« Dann war sie schon mal drei Tagesritte weit weg von Valenda. Ein guter Anfang.
Dy Cabon wirkte erleichtert. »Ausgezeichnet, Majestät.«
Foix brütete immer noch über den Karten. Er hatte eine weitere vor sich ausgebreitet, die ganz Chalion im Überblick zeigte und naturgemäß weit weniger detailliert war als diejenige, die dy Cabon benutzt hatte. Er folgte mit dem Finger dem Weg von Cardegoss nordwärts nach Gotorget. Diese Festung schützte das eine Ende einer Kette unzugänglicher, wenn auch nicht sonderlich hoher Berge, die entlang der Grenze zwischen Chalion und dem roknarischen Fürstentum von Borasnen verliefen. Foix runzelte die Stirn. Ista fragte sich, was für schmerzhafte Erinnerungen der Name dieser Festung in ihm wachrief.
»Diese Gegend wollt Ihr sicherlich meiden«, meinte dy Ferrej, der beobachtet hatte, wie Foix’ Hand auf Gotorget verweilte.
»Allerdings, Herr. Ich würde sagen, wir sollten uns vom gesamten mittleren Bereich der Nordgrenze Chalions fernhalten. Nach dem Feldzug letztes Jahr gibt es immer noch Unruhen in dieser Region. Königin Iselle und Prinz Bergon sammeln bereits Truppen für den nächsten Vorstoß im Herbst.«
Dy Ferrej hob interessiert die Brauen. »Planen sie bereits einen Angriff auf Visping?«
Foix zuckte mit den Schultern und ließ den Finger nordwärts gleiten, bis er die Küste und die bezeichnete Hafenstadt erreichte. »Ich bezweifle, dass man Visping überhaupt mit nur einem Feldzug einnehmen kann, aber wenn es gelänge – umso besser. Die fünf Fürstentümer in zwei Hälften teilen, einen Hafen für Chalion gewinnen, in den sich die Flotte von Ibra zurückziehen könnte …«
Dy Cabon beugte sich über den Tisch, bis die Kante sich tief in seinen Bauch drückte, und schaute ebenfalls auf die andere Karte. »Das Fürstentum Jokona, dort im Westen, wäre das nächste Ziel, wenn Borasnen fällt. Oder werden wir in Richtung Brajar vorstoßen? Oder in beide Richtungen zugleich?«
»Zwei Fronten gleichzeitig zu eröffnen wäre unklug, und Brajar ist ein unsicherer Verbündeter. Jokonas neuer Fürst ist jung und noch unerprobt. Zuerst sollten wir Jokona zwischen Chalion und Ibra in die Zange nehmen – und abzwacken. Dann wenden wir uns nach Nordosten.« Foix kniff die Augen zusammen, und sein wohlgeformter Mund nahm einen verbissenen Ausdruck an, während er über diese Strategie nachdachte.
»Werdet Ihr Euch dem Feldzug im Herbst anschließen, Foix?«, erkundigte Ista sich höflich.
Er nickte. »Wohin der Marschall dy Palliar zieht, dahin folgen die
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